Allversöhnung

Allversöhnung oder endgültige Verdammnis?
Ein brüderliches Wort

Die Frage, ob Gott nach den großen Ewigkeitsgerichten weiterwirken wird, um alles Gefallene wieder heimzubringen, ja Satan selbst zu retten, ist unter den Stichworten "Allversöhnung" oder "Wiederbringung" bei manchen Brüdern und in manchen Kreisen ein immer wiederkehrendes Thema und teilweise auch Anlass zu Auseinandersetzungen. Die einen meinen, wer die Sicht der Allversöhnung nicht habe, habe noch nicht den letzten Einblick in den Plan Gottes. Die anderen dagegen verlangen eine radikale Distanzierung von solchen Gedanken, da sie dem Ruf zum Glauben und der Evangelisation und dem Ernst des Wortes Gottes die Spitze brechen würden.
Ich möchte in Offenheit, doch in aller gebotenen Vorsicht und Kürze etwas sagen, zumal dieses Thema im Blick auf Offb 19-22 aktuell ist. Es ist nur als brüderliches Wort zu verstehen:

1. Im Blick auf all das, was zu unsrem Heil notwendig ist, sind die Aussagen der Schrift eindeutig. Wir sagen es mit den Reformatoren: allein Christus, allein die Schrift, allein der Glaube, allein die Gnade. Hier besteht Klarheit und Eindeutigkeit und auch eine Übereinstimmung zwischen allen wahrhaft Gläubigen. In vielen Heils- und Glaubensfragen gibt es Gewissheit (z.B. 2.Kor 5,1; Röm 8,28.38+39 usw.). Es gibt jedoch eine Reihe von Fragen, in denen die Schrift letztlich den Schleier nicht öffnet (z.B. was vor der Schöpfung war und nach Offb 22 kommen wird) oder nur sehr zurückhaltend etwas andeutet. Gott befriedigt nicht jede menschliche Neugier, sondern er sagt, was zum Heil notwendig ist.

2. Für uns alle gilt, dass unser Wissen Stückwerk ist (1.Kor 13,9-12). Das hält uns in gebotener Demut bei der Schriftauslegung, es billigt aber auch dem Bruder und der Schwester einerseits Irrtum, andererseits andere Erkenntnisse zu. Hier gilt, dass jeder "seinem Herrn steht und fällt" (Röm 14,4). So sollten wir auch als Gläubige einander Raum geben, dass Gottes Geist uns zu unterschiedlichen Erkenntnissen führen kann. Solche unterschiedliche Sichtweisen dürfen kein Grund zur Trennung sein - wohl zu gründlichen Gesprächen über der Schrift (verbunden mit genauem Hinhören auf den anderen), jedoch nicht zum Streit, der trennt. Gottes Geist führt uns zur Einigkeit im Glauben, nicht zur Einigkeit in Erkenntnissen.

3. Befürworter und Gegner der Allversöhnung belegen ihre Ansicht mit Bibelstellen. Diese sind jeweils in ihrem Gewicht sehr ernstzunehmen:
a) Die Gegner weisen hin auf das ewige Gericht und das ewige Feuer, "da ihr Wurm nicht stirbt und ihr Feuer nicht verlöscht". Gottes Wort ist unumstößlich - auch sein Gerichtswort!
b) Im Blick auf die Befürwortung der Allversöhnung gibt es keine eindeutige Schriftaussage, jedoch durchaus Hinweise, dass man so denken kann. Einerseits ist die Stelle 1. Kor. 15,28 ernsthaft zu bedenken. Andererseits wird dieser Gedanke jedoch letztlich vom Wesen Gottes her begründet: Gott ist Liebe. Das ist sein Wesen durch und durch. Hier gilt: "Ich, der Herr, wandle mich nicht" - auch nicht in den Äonen. Seine Liebe wird nicht ruhen, bis er nicht alles "wiedergebracht hat" und am Herz des Vaters ruht. Seine Liebe ist letztlich der Grund der ersten Schöpfung. Sie ist Grund für die Erlösung. Sie ist Grund für die Vollendung und Neuschöpfung. Wird sie nicht ruhen, bis alles wieder beim Vater ist? Es geht allerdings durch schwere Ewigkeitsgerichte hindurch, über die uns die Schrift nicht im Unklaren lässt. Pfarrer Wilhelm Beck (Langensteinbach), der selbst die Sicht der Allversöhnung hatte, sagte: "Allversöhnung zu predigen ohne das schwere Gericht ist Irrlehre!" Der Gedanke an die Allversöhnung bricht dem Auftrag der Evangelisation keineswegs die Spitze.

4. Die Bibel redet vom Anfang bis zum Ende vom Ernst, der im Ruf Gottes liegt ("Adam, wo bist du?") und vom Ernst der Entscheidung: "Heute, so ihr seine Stimmen hören werdet, so verstocket eure Herzen nicht" (Hebr 3,7+8 usw.). Jetzt kann Umkehr geschehen und ewiges Leben gefunden werden (Joh 5,24; 1.Joh 5,12).

5. Weil Gott die Welt geliebt hat (Joh 3,16) und sein Heilswille unabänderlich allen Menschen gilt (1.Tim 2,4 u.a.), haben seine Kinder den Auftrag, zum Glauben einzuladen und zu Christus zu rufen, so lange, bis er kommt. Solange Gnadenzeit ist, ist der Auftrag der Mission und Evangelisation vorhanden. Alles andere ist Ungehorsam gegen Gottes Wort und Willen.

6. Das Wort "Ewigkeit" bedetutet einerseits: "ohne Anfang und ohne Ende" (vgl. Hebr 7,3). Die Bibel gebraucht andererseits sehr oft den Begriff: "Von Ewigkeit zu Ewigkeit" (wörtlich: von Äon zu Äon). Damit wird zugleich deutlich: Ewigkeit bedeutet nicht: ohne jedes Ende. Vielmehr sind nach biblischer Sicht auch die Äonen begrenzt. Sie haben wohl auch ihre jeweilige Bedeutung (die nur Gott kennt). Wenn Äonen jedoch auch ihr Ende haben, dann wird nach diesen Äonen nicht "nichts" sein. Gott bleibt - und sein Wesen bleibt - und die Erretteten bleiben bei ihm, denn sie sind ganz in seiner Gestalt. Die Konsequenzen in die Ewigkeiten hinein können wir uns letztlich nicht ausdenken. Die Ehrfurcht vor Gottes Größe und Heiligkeit gebietet es: "Alles in uns schweige und sich innigst vor ihm beuge". Dass Gottes Liebe nie endet, ist klar - Gottes Heiligkeit und Gerechtigkeit aber auch nicht! Er wird es allein auf die Reihe bringen.

7. In der Ablehnung der Allversöhnung liegt einerseits der Ernst der Entscheidung jetzt und heute; es kann darin aber durchaus auch eine Unbarmherzigkeit des Menschen zum Vorschein kommen, die ihm in seinem gefallenen Wesen zutiefst innewohnt und die auch gläubige Menschen noch an sich haben (vgl. das Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht, Mt 18,21-35; den älteren Bruder im Gleichnis vom verlorenen Sohn, Lk 15, Jak 2,13).

8. Es ist keineswegs unser Auftrag, den Gedanken der Allversöhnung zu verkündigen. Er kann aber in einem ernsthaften geschwisterlichen Austausch über dem Bibelwort gelegentlich Raum haben, etwa auch in seelsorgerlichem Gespräch, wenn Angehörige tief betroffen, ja verzweifelt sind über dem Tod eines Menschen, der (nach unsrer Sicht) ungläubig gestorben ist. Hier muss Seelsorge helfen, dass man solche Angehörige loslassen und der Gnade Gottes anbefehlen kann.

9. Grundsätzlich muss uns klar sein: Wir würden gerne das Handeln Gottes in ein System bringen, um letztlich alles begreifen zu können. Genau das aber geht nicht! Unser Wissen ist "Stückwerk" - das gilt nicht nur im Blick auf Einzelheiten der Schrifterkenntnis oder auf das Begreifen von Führungen Gottes im eigenen Leben - das gilt erst recht im Blick auf manche Fragen der Endzeit. Wer alles in ein System bringen will, versucht Schlussfolgerungen zu ziehen, über die die Bibel uns bewusst im Unklaren lässt. Man begibt sich leicht in die Gefahr des Sich-Überhebens, des Haben-Wollens; dies ist letztlich Hochmut und Sünde!

10. Der Altpietistische Gemeinschaftsverband hat in dieser Frage keine offizielle Lehrmeinung. Vielmehr liegt uns am Herzen, dass wir selbst das Wort Gottes als Quelle der Kraft und Weisheit viel lesen, mit ihm leben und es einladend weitergeben. Dazu gehört auch die Haltung: "Rede, Herr, dein Knecht hört" - aber auch ein Hören auf den Bruder und die Schwester im Geist der Liebe Jesu. Manches wird man in Ehrfurcht stehen lassen, vor allem Fragen der letzten Dinge. Wir werden in der Ewigkeit einmal erstaunt sein, wie Gott alles klärt!

Otto Schaude

Anmerkung: Gerne nehme ich Zuschriften in dieser Sache entgegen!
E-Mail schaude@agv-apis.de