Nehemia 5,1-19

Bewältigung innerer Widerstände

So kann keiner bauen
Während in Kapitel 4 der Widerstand noch stark von außen kam und seinen vorläufigen Höhepunkt im Verwirrungsspiel durch die beiden Gottesfeinde Sanballat und Tobija fand, verstärken sich nun die inneren Kämpfe. Zu früheren Beschwerden über die große Menge Schutt, die die Kraft der Träger übersteigt, kommen nun Hinweise auf grobe Unregelmäßigkeiten im Volk Gottes. Äcker, Weinberge und Häuser, ja sogar Söhne und Töchter werden von Israelit zu Israelit in Zahlung gegeben, nur um sich Getreide kaufen zu können. Nehemia spricht diese Schuld offen an und verweist darauf, dass sie auf der einen Seite nicht möglichst viele jüdische Brüder von ihren heidnischen Herren loskaufen können, um sich dann gegenseitig zu übereignen. Der Bauleiter verlangt die sofortige Entschuldung innerhalb des Volkes ("noch heute") und stellt jedem eine harte Strafe in Aussicht, der sich nicht an diese Weisung hält. Auffallend ist dann die rasche Einsicht aller Betroffenen und der Wunsch, diese Missstände um Gottes Willen abzustellen. Israel gerät darüber ins Loben und zeigt damit deutlich, welche befreiende Kraft darin liegt, wenn sich jemand eindeutig zu seiner Schuld bekennt und sich von ihr distanziert. Auch die, die ihre erbeuteten Waren und Personen wieder herausgeben mussten, stimmen in den Jubel mit ein. Ob sich bei ihnen schon das Gewissen gemeldet hatte und sie nur nicht die Kraft aufbrachten, ihr Unrecht vor ihren Mitbürgern einzugestehen? Der HERR kann auch die unterdrückten Gewissensregungen eines Menschen verstärken und ihn zur Umkehr führen.

Diese Not im Volk konnte also abgestellt werden. Wie soll man eifrig an der Mauer bauen, wenn einem der Magen knurrt und man hilflos zusehen muss, wie Haus und Hof, ja die eigenen Kinder verpfändet werden?
In Apg 6 wird uns ähnliches berichtet. Da murrten die griechischen Witwen in der Gemeinde: Man hat uns bei der täglichen Versorgung vergessen. Abhilfe war dringend geboten. Als die Gemeinde weise durch Wahl von sieben Almosenpflegern reagiert, geschieht wieder ein erstaunliches Gemeindewachstum (Apg 6,7). Lukas kann sogar davon berichten, dass viele Priester dem Glauben gehorsam wurden. Unser HERR ermutigt damit seine Mitarbeiter auch heute, mutig gegen Missstände in der Gemeinde Jesu vorzugehen und sie nicht aus falsch verstandener Liebe heraus zu unterdrücken.

Wenn der Chef mitbaut
Nehemia will kein Leiter sein, der in Jerusalem nur seinen Job verrichtet und anderen die nötigen Befehle erteilt. Er verzichtet auf das Gehalt eines Statthalters, erwirbt auch keinen Grund und Boden (heute: Aktienbeteiligung leitender Angestellter) und legt selbst Hand an beim Mauerbau. Er lässt damit erst gar keine Missgunst auf den Leiter "von außen" aufkommen und hat durch sein selbstloses Verhalten sicher mehr motiviert als durch laute Appelle.
Als Jünger Jesu weiß ich auch ganz bestimmt: Mein HERR Jesus baut selbst mit. Das lässt er sich nicht nehmen. ER begleitet jeden unserer Schritte.

Frage zum Gespräch:
· Haben wir noch den Mut, Missstände bei uns zu benennen und auszuräumen?

Hermann J. Dreßen , Malmsheim