Reich Gottes

Mit dem Reich Gottes ist es anders!

"Mit dem Reich Gottes ist es so..." (Mk 4,26). So und so ähnlich hat Jesus seine "Himmelreichsgleichnisse" eingeleitet. Menschen sollen wissen: Mit dem "Reich Gottes" ist es entscheidend anders, als ihr meist denkt!

Denn "Reich" ist ein Ur-Wort menschlichen Sehnens. So wie etwa auch "Brot" und "Mutter". Das wurde immer wieder von Verführern ausgenützt. Im Hitlerdeutschland hatte die letzte überregionale Zeitung den Titel "DAS REICH". Sie war das Sprachrohr lügenhafter Propagandaparolen.

Menschen dürsten nach Frieden, nach Freiwerden von Sorgen, nach Gesundheit, nach Harmonie. Immer und überall soll es sein "wie der Himmel auf Erden". Zu wie vielen Opfern waren Menschen schon bereit, wenn sie aufgerufen wurden: "Das Reich ist unsere Aufgabe; wenn wir entschlossen genug sind, können wir es vollenden!".

Total anders lautet es im Vaterunser: "DEIN Reich komme!...Denn DEIN ist das Reich!" Bei einer internationalen Tagung des Lausanner Komitees für Weltevangelisation hallte immer wieder lautstark der Refrain durch den "Bernhäuser Forst": "Our God reigns" (unser Gott regiert)! Dieser Kehrreim nahm den Jubel auf, den die "Freudenboten" Gottes einmal anstimrnen werden: "Gott ist König" (Jes 52,7 f.).

Gott ist es zu wenig, den Menschen Begriffs-Konturen zu liefern, die sie dann mit ihren Farben nach eigenem Geschmack ausmalen können. Vom ersten bis zum letzten Blatt der Bibel ist entscheidend wichtig, was Gott "macht" (vgl 1.Mo 1,31; Offb 21,5), "schafft", "wirkt", "gestaltet". Wo er herrscht, regiert, prägt, zurechtbringt und auch Böses hindert, da ist "Reich Gottes".

Wer Scheuklappen hat für Gott, kann darum sein Wirken nicht erkennen; er kann "das Reich Gottes nicht sehen" (Joh 3,3). "Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man’s beobachten kann" (früher:"nicht mit äusseren Gebärden"; Lk 17,20). Es ist ein nicht bei blossem Hinsehen zu entdeckendes Geschehen; vielmehr ist es ein "Geheimnis" (vgl. Mk 4,11).

Das "Reich Gottes" ist noch einmal ganz anders, als ihr oft meint! Dieses ,,Achtung!''-Zeichen hat schon Jesus aufgerichtet: "Mein Reich ist nicht von (der Art) dieser Welt" (Joh 18,36). Die Apostel haben es in seinem Geist aufgenommen: "Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken (Röm 14,17: es ist kein Schlaraffenland, es besteht auch nicht im Einhalten von Anstandsregeln)! "Das Reich Gottes steht nicht in Worten (also auch nicht in Begriffen, in Theorien, in Aktionszielen), sondern in Kraft" (1. Kor 4,20)! "Wir müssen durch viele Bedrängnisse in das Reich Gottes eingehen'' (Apg 14,22)! "Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht ererben" (1.Kor 15,50)! Die Stunde des Aufrichtens des "Reiches für Israel" hat "der Vater in seiner Macht bestimmt" (Apg 1,6f).

Diese "Achtung!"-Warnzeichen sind wichtig für alle Menschen, die das Sehnen in sich tragen: "Es muss sich alles, alles wenden!“ Besonders wichtig waren sie jedoch schon zu den Erdentagen des Offenbarers (vgl. Joh 1,18; 3,11) Jesus für Menschen, die Gottes Reich aus eigenen Kräften verwirklichen wollten; denn so hatten sie die Aufrufe der Propheten (miss-) verstanden. Aber auch solche Frommen sollten "zur Sache gerufen" werden, welche mit einem Schlag von Gott her, „dessen Reich ewig ist", die irdisch-weltliche Verwirklichung der Daniel-Ankündigung erwarteten: "Das Reich und die Macht und die Gewalt über die Königreiche unter dem ganzen Himmel wird dem Volk der Heiligen des Höchsten gegeben werden" (Dan 7,27).

Jesus ist das Reich Gottes in Person!

Mitten im Ringen der ,,Bekennenden Kirche" gegen eine politisierte Hitler-"Reichskirche" schuf der aus Oberboihingen stammende Richard Lörcher das Lied: "Jesus Christus, König und Herr, sein ist das Reich". Es hat ihn zu seinen Lebzeiten geschmerzt, wenn gedankenlos die dritte Strophe dieses Liedes zersungen wurde, denn da sollte es heissen: "In des Jüngsten Tages Licht...wird zu Jesu Füßen alles bekennen müssen: ,Jesus Christus, König und Herr, dein ist das Reich..!"

Einer meiner amerikanischen theologischen Lehrer hat immer mit ganzem Ernst herausgestellt: "Jesus hat sich total mit dem Himmelreich identifiziert. In seiner Person und in seinem Wirken ist das Reich Gottes gegenwärtig. Seitdem geht es uns nur dann um das Reich Gottes, wenn es uns um die Ehre des Jesus und um die Gemeinschaft mit ihm geht!"

Wo Jesus ist und wirkt, da gilt: "Siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch" (Lk 17,21)! Was der Sohn den Vater tun sieht, „das tut gleicherweise auch der Sohn" (Joh 5,19). Der Vater hat dem Sohn übergeben sowohl das Lebendigmachen als auch das Gericht (vgl. Joh 5,21-23).

Das prägt bis in den Begriffsgebrauch hinein die Bibel. In den Briefen des Neuen Testamentes ist auffallend selten vom "Reich Gottes" oder vom "Himmelreich" die Rede. Umso mehr wird von Christus Jesus gesprochen, vom "Reich seines (Gottes) lieben Sohnes" (Kol 1,13). Gott hat die "Macht seiner Stärke" gewirkt, als er Christus von den Toten auferweckt und im Himmel zu seiner Rechten eingesetzt hat "über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen'' (Eph 1,19ff).

Der Vater hat dem Sohn "alle Macht im Himmel und auf Erden" anvertraut (Mt 28,20). Jetzt sollen sie alle den "Sohn ehren, wie sie den Vater ehren. Wer den Sohn nicht ehrt, der ehrt den Vater nicht, der ihn gesandt hat (Joh 5,23). In der Christenheit sollte es deshalb unmöglich sein, so vom "Reich Gottes" zu reden, dass der Name Jesus verschwiegen werden kann.

Aufpassen! Nicht überall geht es um die Herrschaft des zu Gottes Rechten erhöhten Jesus, wo scheinbar "gut biblisch" und "fromm" vom "Reich Gottes" geredet wird! In unsere eigenen Reihen hat sich etwa der Sprachgebrauch eingeschlichen: "Wir wollen Gottes Reich bauen!" Welche Vermessenheit! Jesus ist es, der seine Gemeinde "baut" (vgl. Mt 16,18). Die Christen sind "Gottes Bau" (vgl. 1.Kor 3,9). Noch schlimmer war es, dass in den zurückliegenden Jahrzehnten weltweit nach dem Strickmuster argumentiert wurde: Mit Jesus ist das Reich Gottes herbeigekommen (vgl. Mk 1,15). Was jedoch "Gottes Reich" ist, das wissen wir; nämlich "Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung". Dafür wollen nun wir uns einsetzen! Jesus war nur der "Vorspann", der "Auslöser". Die Verwirklichung der "Reichs-Gottes-Ethik" jedoch wurde der Sprengkraft sozialistischer Ideen zugetraut. Welche Missachtung des auferstandenen Jesus, in dem allein alles Wirken der Hilfsarbeiter Gottes (vgl 1.Kor 3,9) "nicht vergeblich" (1.Kor 15,58) ist.

Darum predigten die ersten Zeugen des Herren Jesus "von dem Reich Gottes und von dem Namen des Jesus Christus“ (Apg 8,12, 28,31). Das "Reich Gottes" ist allein dort in Kraft, wo Jesus die Ehre gegeben wird, dass er wirken darf, dass man von ihm Grosses erwartet, dass man sich von ihm zurechtbringen und auch "heben, tragen und erretten" lässt. Wo er bis heute - auch in unseren Familien, Gemeinschaften und Gemeinden - böse Geister durch den Geist Gottes austreibt, da ist das Reich Gottes gegenwärtig (vgl. Mt 12,28). Jesus "predigte das Evangelium vom Reich und heilte alle Krankheiten und alle Gebrechen" (Mt 9,35). So verwirklichte er das "Reich" bei dem Volk, dessen ihn ,jammerte; denn sie waren verschmachtet und zersteut wie die Schafe, die keinen Hirten haben" (Mt 9,36).

Glaubensweckung und Leibsorge gehörten gleicherweise zum Heilandshandeln des Erbarmers Jesus. Zugleich hat aber Jesus klargemacht: Die Heilung eines Gelähmten ist nicht wichtiger als die Sündenvergebung, vielmehr ist es umgekehrt (vgl. Mt 9,1ff)! So können bis heute für Menschen, in denen Jesus lebt, Glaubensweckung und erbarmende Zuwendung zum Bedürftigen Äußerungen der Verbundenheit mit Jesus sein und damit "Reich Gottes im Vollzug". Der Begriff "Reich" sollte jedoch nicht dazu verführen, in geradezu imperialistisch-konstantinischem Denken an umfassende weltverändernde Konzeptionen zu denken. Nicht ohne Grund hat Jesus daran erinnert: "Das Himmelreich gleicht einem Senfkorn", es gleicht einer unscheinbaren Menge "Sauerteig" (Mt 13,31.33). Die unscheinbare Fermentwirkung ist das Entscheidende an dem Jesus-Reich!

Ja sogar scheinbare Vergeblichkeit des Wirkens gehört zu dem mit Jesus angebrochenen Reich Gottes: Dreiviertel des ausgestreuten Samens bleibt ohne Frucht (Mt 13,1-23); Unkraut wird zwischen den guten Samen gesät (Mt 13,24ff; 36 ff); im "Netz" des Himmelreiches sammelt sich Gutes und Böses (Mt 13,47ff); die Einladung zum königlichen Festmahl wird von vielen Geladenen verachtet (Mt 22,1 ff). Ja: Das "Reich Gottes" (Mt 21,43) ist geprägt von der Vermessenheit "böser Weingärtner", welche die Abgesandten des "Hausherrn" abblocken und schmähen - bis hin zum "Sohn", den sie töten (Mt 21,33ff)

"Wohlan, so nimm uns aIlzugIeich zum Teil am Leiden und am Reich", so steht's im Gesangbuch. Damit ist auf- und ernstgenommen die Grunderkenntnis der ersten Christenheit:
"Wir müssen durch viel Bedrängnis in das Reich Gottes eingehen" (Apg 14,22). Der Seher der Offenbarung nannte sich darum einen "Bruder und Mitgenossen an der Bedrängnis und am Reich und an der Geduld in Jesus" (Offb 1,9). Jesus hat schon seinen ersten Nachfolgern verheissen, die bei ihm "ausgeharrt" hatten in seinen "Anfechtungen": "Ich will euch das Reich zueignen, wie mir's mein Vater zugeeignet hat" (Lk 22,28f).

Berufen zum Reich Gottes und zu seiner Herrlichkeit

Das Wesen des Christseins besteht darin, berufen zu sein "zur Gemeinschaft mit seinem Sohn Jesus Christus" (1.Kor 1,9). Diese Berufung zu innigster Gemeinschaft mit Jesus ist zugleich die Berufung zum "Reich Gottes" (vgl. 1.Thess 2,12). In dieser Gemeinschaft genügt es nicht, Jesus eben "Herr" zu nennen; Jesus will seine Leute auch das tun lassen, was ihm wichtig ist (vgl. Lk 6,46). Dazu "errettet" er sie "aus der Macht der Finsternis", um sie stattdessen zu versetzen "in das Reich seines lieben Sohnes" (Kol 1,13). In diesem Reich sollen sie "des Herrn würdig" leben und "Frucht bringen in jedem guten Werk" (Kol 1,10); darin kommt die "Erlösung", die "Vergebung der Sünden" zur vollen Auswirkung bei denen, die "in Jesus" sind (Kol 1,14).

All diese Konkretionen sind in der Mehrzahl formuliert. Zwar geht man nicht in das Reich Gottes als ganze Konfirmandengruppen oder aufgrund der Gemeindegliederliste ein; es gilt vielmehr, die "Berufung" zum Eingang "in das ewige Reich des Herrn und Heilandes Jesus Christus" festzumachen (2.Petr 1,10f). Aber das "Reich des Heilandes Jesus" ist eben vom ersten Jüngerkreis angefangen eine Gemeinschaft von weiblichen und männlichen "Mit-Erben der Gnade" (vgl. 1.Petr 3,7). Das Stichwort vom "Reich" wehrt allem frommen Einzelgängertum und allem Sich-Absondern von Gruppen. Beim Hineinkommen in das "ewige Reich des Heilandes Jesus Christus" werden sich manche wundern: „Es sind so viele da, von denen ich das nicht angenommen habe!" Wenn Christen aber eine Ewigkeit lang mit solchen zusammenleben müssen, mit denen sie hier etwas schwergetan haben, dann sollten sie sich auch schon hier bemühen, mit ihnen auszukommen! "Von allen Seiten kommen sie in das Reich herein; ach, soll es uns genommen, für uns verschlossen sein?"

Wer sich schon hier in dieser Welt in die Gemeinschaft mit Christus und damit in sein Reich berufen ließ, der wird mit dem Sterben nicht "vom Spielfeld genommen". Vielmehr kann der "Herr" Jesus „erlösen von allem Übel und retten in sein himmlisches Reich" (2.Tim 4,18). Jesus will nicht nur an Menschen "gedenken", wenn er "in sein Reich kommt" (vgl. Lk 23,42); vielmehr kann man "mit ihm im Paradies" sein. Vielen genügt das zu wissen, dass sie auch nach dem Sterben einmal "mit Jesus" und "bei Jesus" sein werden.

Damit ist jedoch die Ehre Gottes und seines Jesus missverstanden! Es geht doch nicht nur um uns und unsere persönliche Zukunft! Mit der Auferweckung und mit der Erhöhung des Erlösers Jesus hat Gott seinen verlässlichen Zukunftsplan angekündigt: Jesus soll erst recht einmal vor den Augen aller Menschgeborenen unübersehbar groß herauskommen (vgl. 1. Kor 15,20-28; Phil 2,9-11). Dann wird zu Jesu Füßen alles bekennen müssen:
"Jesus Christus, König und Herr, dein ist das Reich!" Dann wird das bis dahin in Verborgenheit wirkende Reich des Heilandes Jesus abgelöst werden von dem Jubel: "Es sind die Reiche der Welt unseres Herrn und seines Christus geworden, und er wird regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit" (Offb 11,15)!

Das wird geschehen, wenn Christus Jesus "das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird, nachdem er alle Herrschaft und alle Macht und Gewalt vernichtet hat". "Dann wird auch der Sohn selbst untertan sein dem, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott sei alles in allem" ?(1. Kor 15,24.28). Auf dieses "Reich Gottes" zielt die Vaterunserbitte: "Dein Reich komme!"

Diese Bitte möchte Leute, die sich Christen nennen, herausholen aus aller engen Besorgtheit um ihr eigenes Leben. Beim Reich Gottes geht es um die Welt, die erlöst werden soll aus der Versklavung unter den teuflischen "Fürsten dieser Welt" (vgl. Joh 12,31;14,30). Beim Reich Gottes geht es um die Ehre des Gottessohnes Jesus Christus, die so lange geschmäht worden ist und der bis zum heutigen Tag widerstanden wird. Es geht darum, dass wir Gottes schöpferischem Wirken Allergrößtes zuzutrauen lernen. Nur so werden Christen auch das "Evangelium vom Reich" als einladende Erlösung "allen Völkem" bekanntmachen können (vgl. Mt 24,14).

Rolf Scheffbuch, Korntal