Nachfolge 2015.pdfNachfolge: Ist dabei sein alles? (Markus 1,16-20; Johannes 8,12; Römer 12,1+2)
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Nachfolge
Johannes 1,14-51; Matthäus 3,1-12
Kürzlich las ich den Satz: „Wir treffen heute mehr ‚bekennende Christen’ als ‚im Geist
wandelnde Christen’.“ Dieser Satz machte mich nachdenklich; denn es ist in der Nachfolge Jesu wirklich leichter, Worte zu formulieren, als dementsprechend zu leben und sich zu verhalten. Gefragt ist eine engagierte Nachfolge. Das Wort bedeutete ursprünglich das buchstäbliche Hinterhergehen des Schülers hinter seinem Meister. Nachfolger heißt also Jünger sein.
Es ist interessant, dass es im Neuen Testament kein Wort für Nachfolge gibt. Hier kommt das Tätigkeitswort nachfolgen vor. Schon an dieser Tatsache ist zu erkennen, dass Nachfolge kein bloßer Zustand, sondern Bewegung ist, ein fortlaufendes Tun und Geschehen im Gehorsam und in unbegrenztem Vertrauen, und das nur in der ganz persönlichen Beziehung zu Jesus. Der Apostel Paulus beschreibt so ein Leben mit anderen Begriffen. Er sagt Kind Gottes, Nachahmer, Geistesmenschen, Gottesmenschen u.a. Damit verbunden sind all die bekannten Begriffe wir Hingabe, Vorbild, Gehorsam, Mitleiden, Selbstverleugnung. In unseren Gemeinschaften kennen wir diese Worte und ihre Bedeutung gut.
Ich möchte mich nun einem Leben zuwenden, von dem wir viel lernen können, was Nachfolge ist. Es ist das Leben und Wirken von Johannes dem Täufer. Dieses Leben – als Vorbote und Wegbereiter für Jesus – zeigt so viele Züge auf, die Nachfolge in ihrem Wesen deutlich machen. Ich teile diese in sieben Abschnitte ein.
Erster Abschnitt
Johannes war als letzter Prophet des Alten Testamentes in den Vorbereitungsdienst für die Ankunft Jesu gestellt. Er hat sich diese Aufgabe nicht selbst gesucht, Gott hat ihn dazu bestimmt. Gleich am Anfang seines Dienstes machte er seinen Auftrag klar: „Tut Buße!“ Das war sein Ruf. Er wusste, dass ohne Buße, d.h. ohne die Umkehr zu Gott keiner Jesus nachfolgen konnte. Das gab nun im Neuen Testament der Nachfolge eine ganz andere Bedeutung, als es bisher bekannt war. Denn im Judentum folgte ein Schüler seinem Meister nach, um selbst Meister zu werden. Nachfolge Jesu dagegen greift viel tiefer in das Leben ein. „Kehre um!“ Es geht nicht in der gleichen Richtung – in deiner bisherigen Richtung – fort, nur etwa leichter oder schneller oder gar angesehener und berühmter. Du musst dich umwenden zu Jesus hin. Es ist der Eintritt mit deiner ganzen Lebensübergabe in die Lebensgemeinschaft mit Jesus. Johannes zeigt mit seiner Verkündigung (Mt 3,1-12) die ganze Radikalität einer solchen Nachfolge: Erkenntnis der Sünde, ganzer Bruch mit dem bisherigen Leben, ohne Vorbehalte Jesus zu gehören.
Erster Leitsatz: Nachfolge ist keine Durchgangsstation zu einer Selbstverwirklichung. Sie ist ein Leben auf der Grundhaltung: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt (Joh15,16).
Zweiter Abschnitt
Lesen wir Kapitel 1 des Johannesevangeliums, dann ist man erstaunt, wie Johannes der Täufer von der Person Jesu bestimmt und geprägt war. Er legt in Kapitel 1,15 Zeugnis von ihm ab: „Dieser war es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich.“ Also: Jesus ist der Erste, um den geht es. Er ist der Erfüller des Gesetzes, der Bringer der Gnade, von der wir täglich nehmen können. Der Täufer sagt: Jesus hat uns Kunde von Gott gebracht, nur er. Sonst wüssten wir alle nichts von Gott. Jesus hat die tiefe ewige Gemeinschaft mit Gott in der Herrlichkeit aufgegeben und ist zu uns gekommen. So offenbart Jesus Christus den Willen, das Wesen und das Herz des Vaters. Johannes ahnte die Wichtigkeit, die Opferbereitschaft und Liebe, die in Jesus offenbar werden sollte. Er weiß nichts anderes als diesen Jesus, der nach ihm kommt.
Zweiter Leitsatz: Nachfolge ist Staunen über Jesus und über das, was uns durch und in ihm geschenkt wird.
Dritter Abschnitt
Johannes wird in Joh 1,19f mit Fragen durchlöchert: Wer bist du? Christus? Elia, der Prophet? Erstaunlich sind seine Antworten, die von echter Hingabe zeugen. „Ich bin nur eine Stimme in der Wüste. Ich habe eine Botschaft, und wenn mein Auftrag erfüllt ist, trete ich wieder ab.“ In der Wüste – abseits vom Pulsschlag der Welt, abseits von den Bühnen zur Profilierung und Selbstdarstellung – nur der Herold für einen anderen, viel Größeren. Wie oft mag er verlacht, verspottet oder verachtet worden sein! Er diente einem künftigen Herrn und stellte diesem seine Zeit, seine Kraft, sein ganzes Leben zur Verfügung! Dabei auch: Welche Selbsterkenntnis: Ich bin nicht gut genug, ihm die Riemen seiner Sandalen aufzubinden.
Dritter Leitsatz: „Wer mir nachfolgt, der verleugne sich selbst“ (Mk 8,34) und „Wer nicht allem absagt, was er hat, der kann nicht mein Jünger sein“ (Lk 14,33).
Vierter Abschnitt
In Joh 1,29 ruft Johannes der Täufer, als er Jesus kommen sieht, das so bekannte Wort aus: „Seht, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde hinweg trägt!“ Was für ein froher Ausruf! Jetzt seht doch! Schaut her! Die Botschaft „es kommt einer“ hat gestimmt. Mit Jesus geht’s erst richtig los! Eine frohe Sache. Johannes wiederholt sie am andern Tag und freut sich. Wie notwendig sind heute Nachfolger mit der einladenden frohen Nachricht: Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude! Unsere Zeit braucht Nachfolger, die mit Freude und Zuversicht gerade heute in unserer Gesellschaft von Jesus weitersagen. Wie gut tut ihre Botschaft, wo so viel Ratlosigkeit, Schuld, Sinnlosigkeit und Aussichtslosigkeit herrscht und viele nach Rat und Hilfe rufen! Sagen wir ruhig: „Kopf hoch! Es gibt Hoffnung, es gibt Sinn und Ziel für euer Leben.“ Nachfolge heißt hier also auch: den Mund auftun für Jesus und erzählen, wie er ein kraft- und saftloses, ein schuldbeladenes und sinnloses Leben neu und lebenswert macht. Wie er dem Leben Fundament und Orientierung gibt. Wo dieser Hinweis auf das Wichtigste: „Seht, das Lamm Gottes!“ in unseren Gemeinden hörbar wird, da muss Unzufriedenheit, Nachtragen und heimlicher Streit weichen. Da will und kann man nicht mehr so weitermachen wie bisher.
Vierter Leitsatz: Grundlage aller Nachfolge ist das, was Jesus als das Lamm für uns getan hat. Die Vergebung durch ihn bringt in die Herzen und in unsere Reihen Lob und Dank.
Fünfter Abschnitt
Mich beeindruckt das Wort Joh 1,36: „...indem er den Blick auf Jesus richtete...“ Jesus ging umher unter den vielen Menschen am Jordanufer, und was tat Johannes? Er blickte auf Jesus! Dieses Blicken heißt aufmerksam schauen. Er hat ihn nicht bloß zufällig gesehen, als er dahinging. In der Nachfolge kommt es auf den Blick auf Jesus an, auf den Blickkontakt. Jede Wortverkündigung muss auf Jesus orientiert sein und auf Jesus hinweisen. Dazu sagt der Hebräerbrief in Kapitel 12: „Lasst uns (willentlich!) aufschauen auf Jesus!“ Aufsehen auf Jesus: wie er für mich lebte und lebt, wie er für mich handelt, wie er für mich betet, wie er mich liebt, wie er für mich gestorben und auferstanden ist.
Damit bleibt Nachfolge in der täglichen Abhängigkeit von Jesus. Da lernt man von Jesus, schaut ihm ab. So werden Nachfolger auch Vorbilder – zu lieben, wie Jesus liebte; zu vergeben, wie Jesus vergibt; zu trösten, wie Jesus tröstet; sich zu freuen, wie Jesus sich freute. In der Gemeinschaft mit Jesus wird unser Ich in den Hintergrund gedrängt und überwunden.
Fünfter Leitsatz: Nachfolge führt in die tägliche Abhängigkeit von Jesus.
Sechster Abschnitt
Begleiten wir Johannes den Täufer noch ein Stück weiter. Was in Joh 3,22-36 von ihm berichtet wird, ist beeindruckend, weil es dem heutigen Drang zur Selbstverwirklichung gerade entgegen steht. „Ein Mensch kann nichts nehmen, es werde ihm denn gegeben vom Himmel. Ihr seid selbst meine Zeugen, dass ich gesagt habe, ich sei nicht der Christus, sondern vor ihm her gesandt. Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“
Diese Aussage zeigt, dass Verleugnen des Eigenen zum Wesensmerkmal der Nachfolge gehört. Die Jünger des Johannes sind bekümmert und traurig. Ihrem Meister läuft die Kundschaft weg. Gerade der, den du, Johannes, damals am Jordan vorgestellt hast, zu dem laufen jetzt alle, und bei uns wird es immer weniger! Wie gut können wir die Johannesjünger verstehen und auch die darin liegende Herausforderung! Er muss doch jetzt etwas unternehmen! Geht er hin und klagt? Ist er enttäuscht und gibt auf? Macht er seinem Herzen Luft? Ja, das tut er; aber so ganz anders, als seine Jünger denken. „Diese meine Freude ist nun erfüllt, und ich freue mich ganz toll!“ Die Jünger haben wohl Probleme, das zu verstehen. Wie kann sich Johannes auch noch freuen? Hören wir ihm genau zu! Er weiß um den Platz, an den er gestellt ist, und um die Aufgabe, die er zu erfüllen hat. Ich bin doch der Vorläufer, und jetzt kommt der Richtige – und da soll ich mich nicht freuen? Ich trete nun zurück ins zweite Glied. Das war von Anfang an mein Ziel. Jesus muss wachsen, ich dagegen muss abnehmen. „Was für eine tiefe geistliche Erkenntnis und was für ein demütiges Bekenntnis!
Fällt es uns heute nicht schwer, ins zweite Glied zurückzutreten? Auch wir Christen streben doch nach Größe, Besitz, Prestige und Macht. „Er muss wachsen...“ Das ist wohl das wichtigste Merkmal in der Nachfolge. Es geht nicht um unseren Einfluss, unsere Größe unsere Erfolge oder unser Wissen. Paulus schreibt: „Ich hatte mir vorgenommen, kein anderes Wissen bei euch zu zeigen als das von Jesus Christus, und zwar dem Gekreuzigten.“ So sah bei ihm die Nachfolge aus. Es kostet Demut und Bereitschaft, das Kreuz auf sich zu nehmen. Es kostet einen Kampf, der aber im Festhalten an der Tatsache: „Nicht ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ gewonnen wird. Da geht dann aller Ruhm und alles Lob auf das Konto unseres Herrn.
Sechster Leitsatz: Jesusnachfolge heißt: Er muss mir größer werden, ich aber muss abnehmen.
Siebter Abschnitt
Zur Zeit Johannes des Täufers war Herodes König über ein Viertel des Landes Palästina. Er war kein guter Herrscher, er war bösartig und lasterhaft. Dieser Mann wurde – nachzulesen in Mt 14,33 und 4 – mit einer unangenehmen Wahrheit konfrontiert: sein Ehebruch mit der Herodias, der Frau seines leiblichen Bruders. Johannes hatte den Mut, für die Wahrheit einzutreten. Wir können uns die Wut des Herrschers vorstellen. Johannes kam in das Gefängnis und wurde letztlich für die Wahrheit getötet. Das war der letzte Teil seiner Nachfolge. Was hat uns das nun noch zu sagen? Jesus hat seine Jünger mit seinem Auftrag in die Welt gesandt zum Dienst bis ans Ende der Erde. Dienst in der Nachfolge Jesu ist keine Leichtigkeit, kein Spaziergang. Er führt in Schwierigkeiten, Anfechtungen und Leiden. „Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich!“ (Mt 16,34). Nachfolger werden Kreuzesträger. Das ist bis heute so! Allein im Jahr 2005 wurden weltweit 55.000 Christen um ihrer Christusnachfolge willen getötet. Das Kreuz bedeutet nicht immer Märtyrertod, aber es ist in großer Weisheit zugeordnet. Oft sind es feine Nadelstiche, eine spitzfindige Bemerkung oder ein herablassendes Lächeln. Es kann Einsamkeit sein bis in die Familie. Da macht mancher auch heute seine Erfahrungen. Dienst, Leiden und Sterben in der Nachfolge Jesu gehören zusammen.
Siebter Leitsatz: Der Nachfolger Jesu nimmt das Kreuz auf sich, das sein Herr selbst für ihn ersehen hat. Er muss es nicht allein tragen, denn der Herr spricht: „Sieh doch, ich bin bei dir!“
Josua 1,9: Verliere nicht den Mut; denn ich, der Herr, dien Gott, bin bei dir!
Ernst Vatter, Calw-Alzenberg, Missionsdirektor der Liebenzeller Mission i.R