Freiheit

Freiheit

Biblische Spurensuche zum Grundwort Freiheit

Unter Freiheit verstehen wir heute oft ein selbstbestimmtes, ungebundenes  Leben, das eigene Entscheidungen fällt und dem alle Wege offen stehen.  Manchmal wird damit die Forderung verbunden: Freiheit muss erkämpft und verteidigt werden.

Freiheit beginnt im Herzen

Freiheit hat auch in der Bibel einen hohen Stellenwert. 2Mo 20,2 hält fest, dass  Gott selbst es ist, der sein Volk in die Freiheit geführt hat. Und im Neuen  Testament schreibt Paulus: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!“ (Gal 5,1)  Auch hier geht es um erkämpfte und verteidigte Freiheit. Und doch liegen die Akzente anders. Diese Freiheit ist von Gott geschenkt, und sie beginnt im  Herzen, d.h. im Denken, Fühlen und Urteilen des Menschen.

Jesus Christus befreit …

Martin Luther hat in seiner Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“  (1520) den Unterschied zwischen innerer und äußerer Freiheit  herausgearbeitet. Von dieser Freiheit spricht Jesus in Joh 8,31-32: „Wenn ihr  bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und  werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“ Diese befreiende Wahrheit besteht im Vertrauen in seine Verheißung: dass er  tatsächlich der Sohn Gottes ist, der uns von der Herrschaft der Sünde befreit (Joh 8,33-36).

... von der Macht der Sünde

Sünde beschreibt die Bibel in 1Mo 3 als Missbrauch der Freiheit, die Gott dem  Menschen ursprünglich schenkte. Die Sünde hat ihre Wurzel im Misstrauen  gegen Gottes Gebot „Ja, sollte Gott gesagt haben …“ (1Mo 3,1). Der Mensch will selber beurteilen, was gut und böse ist (1Mo 3,5). Er ist nicht bereit, die  Grenzen zu akzeptieren, die Gott ihm setzt. An die Stelle der Ehrfurcht vor dem Schöpfer setzt der Mensch die Vergötzung der Geschöpfe (Röm 1,25). Die Folge  dieses Misstrauens ist der Tod – Gott setzt dem Leben eine Grenze, die der  Mensch von sich aus nicht überschreiten kann (1Mo 3,22-24; Röm 6,23). Durch seinen Tod am Kreuz hat Jesus Christus die Folgen der Schuld auf sich genommen (Röm8,23-34; 2Kor 5,19-21; 1Petr 2,24). Er überwindet das Misstrauen, indem er uns zeigt, wie sehr Gott uns liebt. Er schenkt uns seinen Heiligen Geist. Was dem Menschen aus eigener Kraft nicht gelingt, wird durch Gottes Geist bewirkt: neues Vertrauen entsteht. Der Geist macht uns zu Kindern Gottes (Röm8,14) und vertritt uns vor ihm im Gebet (8,26).

… und des Todes

Seit Ostern gilt: Der Tod hat keine letzte Macht mehr über unser Leben. Gott hat seinen Sohn am dritten Tag von den Toten auferweckt. Er hat verheißen,  dass er allen, die an ihn glauben, das ewige Leben schenken wird (Joh 3,16). Dadurch befreit er uns von der Angst, das eigene Leben um jeden Preis erhalten oder verteidigen zu müssen. Jesus lädt immer wieder dazu ein, sich nicht um das Leben zu sorgen, sondern der Fürsorge des himmlischen Vaters zu vertrauen (Mt 6,25-34).

Befreit zur Liebe

Als Gott sein Volk aus der Sklaverei befreite, gab er ihm die zehn Gebote als die grundlegenden Spielregeln der Freiheit (2Mo 20,2ff.). Paulus beschreibt die Rolle der Gebote als Maßstab, an dem Gottes Wille deutlich wird – und gleichzeitig deckt es die Unfähigkeit des Menschen auf, diesem Willen zu  entsprechen (Röm 3,20). Das Gesetz hat seither eine anklagende Funktion, die den Menschen als Sünder überführt und ihn zum Tod verurteilt. Auch diese Macht ist durch den Tod Jesu am Kreuz und seine Auferstehung gebrochen. Das Gesetz ist dadurch nicht aufgehoben; es bleibt gültig (Mt 5,17-20). Dass Christus uns vom Todesurteil befreit hat, ist kein Freibrief zum beliebigen Sündigen – frei nach dem Motto: Mir kann nichts passieren, mir ist vergeben. Paulus weist diese falsche Haltung eindringlich zurück (Röm 6,1f.+15), und Petrus warnt davor, die geschenkte Freiheit als „Deckmantel der Bosheit“ zu  missbrauchen (1Petr 2,16). Freiheit hat in der Bibel immer zwei Seiten. Sie fragt nicht nur danach, wovon ich befreit bin, sondern auch wozu. Jesus befreit uns  dazu, die uns geschenkte Liebe und Vergebung weiterzugeben. Am Beispiel des Sklaven Onesimus (Phlm 15ff.) zeigt sich: Diese Freiheit wächst von innen nach außen. Die Freiheit, von der Paulus predigte, veränderte die antike  Gesellschaft. Die Stellung von Frauen und Sklaven veränderte sich – nicht überall, aber überall dort, wo Gottes Wort ernst genommen wurde.

„Unsere Seele ist entronnen wie ein Vogel dem Netze des Vogelfängers; das Netz ist zerrissen und wir sind frei.“ (Ps 124,7)

Rainer Holweger, Pfarrer, Herrenberg

Text aus dem Magazin "Gemeinschaft" 8-9/2010