Abendmahl

Das heilige Abendmahl
in Verbindung mit Matthäus 26,17-30

"Das war eine unvergessliche Abendmahlsfeier", so wird mancher Erinnerungen aus seinem Leben haben. In allen meinen Dienstbereichen waren diese Feiern oft geistliche Höhepunkte. Es war mir immer ein Anliegen, zur Freude am Abendmahl zu helfen. Seit über 10 Jahren haben wir mit der Kirchenleitung eine Vereinbarung, dass wir auch in unseren Gemeinschaften selbständig Abendmahl feiern können.
Leider gibt es z. Zt. um das Abendmahl, seine Bedeutung und seine Feier, Auseinandersetzungen. Aus dem Raum der feministischen Theologie gibt es eigenartige Aussagen über das Abendmahl. Diese Theologie hat mit dem Opfergedanken im Leiden Jesu, mit seinem Sühnetod und mit seinem für uns vergossenen Blut Schwierigkeiten.
Eine andere Art der Auseinandersetzung hat es um das "Feierabendmahl" auf dem Kirchentag gegeben. Es gibt auch hin und wieder eigenartige Formen der Austeilung des Abendmahls, bei denen zwischenmenschliche Beziehungen und Kontakte eine vielleicht zu wichtige Rolle spielen.
Auch in der Reformationszeit gab es einen Abendmahlsstreit: Ob in dem Austeilungswort "Das ist mein Leib" dieses "ist" wörtlich zu nehmen ist oder ob es als ein "bedeuten" zu verstehen ist.
Es ist wohl gut und notwendig, dass wir uns auf die biblischen Berichte über das Abendmahl neu besinnen. Diese Berichte stehen in den Evangelien
Matthäus 26,17-30
Markus 14,12-25
Lukas 22,7-23
Im Johannesevangelium haben wir statt eines Berichtes über das Abendmahl den Bericht von der Fußwaschung (Kap. 13). In Joh 6 sagt Jesus im Zusammenhang mit seinem Wort "Ich bin das Brot des Lebens" Wesentliches zu dem, wie wir auch das Abendmahl verstehen dürfen, vor allem V. 48-58.
In Apg 2,42 steht in dem bekannten "Programmwort" der ersten Gemeinde das Wort "Sie blieben aber beständig im Brotbrechen". Das Abendmahl wurde auch zum Teil als Brotbrechen bezeichnet.
In den Auseinandersetzungen mit bestimmten Strömungen in der korinthischen Gemeinde schreibt Paulus in seinem ersten Brief an die Korinther einige wichtige Sätze über das Abendmahl, Kap. 10,14-22: "Der gesegnete Kelch, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Ein Brot und ein Leib. Es ist nicht möglich, zugleich den Kelch des Herrn zu trinken und den Kelch der bösen Geister." In Kap. 11,17-34 nimmt Paulus Stellung zu der Art und Weise, wie in Korinth das Abendmahl in der Verbindung mit einem Gemeinschaftsmahl gefeiert wird und dabei erhebliche Spannungen zwischen den ärmeren und reichen Gemeindegliedern entstehen. Dann spricht er vom Abendmahl des Herrn, wie er es vom Herrn empfangen und weitergegeben hat (11,23f. - dieses Wort haben wir meist in unsrer Abendmahlsliturgie): "Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, dankte und brach's und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis." Er schließt daran an das Wort vom Kommen des Herrn und von der Selbstprüfung vor dem Mahl.
Noch andere Stellen könnten angeführt werden. Eine besondere Stelle ist ein Wort des erhöhten Herrn an die lau gewordene Gemeinde in Laodizea (Offb 3,20): "Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl (im Urtext steht: "das Mahl") mit ihm halten und er mit mir." Diese Gesamtaussagen über das Abendmahl müssen wir beachten. Wir können nicht nur von einer Stelle ausgehen und dann eine Abendmahlslehre daraus machen.
Es muss uns auch bewegen, dass bis heute in der Christenheit zwischen der katholischen und evangelischen Kirche keine wirkliche Abendmahlsgemeinschaft möglich ist.

Im Zusammenhang mit unsrem Textplan sind wir nun angewiesen, am 24. Februar über das Abendmahl, ausgehend von dem Bericht in Mt 26,17-30, zu sprechen. An diesem Bericht geht uns auf, dass das Abendmahl von der ganzen Heilsgeschichte Gottes her zu verstehen ist.
Ein Dreifaches geht uns auf an diesem Bericht:
Das Abendmahl gibt uns teil
- an der Geschichte Gottes mit Israel
- an der Versöhnung durch Jesus am Kreuz
- am kommenden Reich Gottes

Das Abendmahl gibt uns teil an der Geschichte Gottes mit Israel
Jesus hat sich mit seinen Jüngern eingebunden in die Geschichte Gottes mit seinem Volk. Nach 2.Mo 12 feiert in Israel jeder Hausvater am 14. Nisan (1. Monat) nach der Schlachtung eines fehlerfreien Lammes mit seinen Hausgenossen (auch in die Nacht hinein) das Passamahl. Es ist immer neu das Gedächtnis daran, wie Gott Israel aus Ägypten befreit hat. In der letzten Nacht in Ägypten, als die Erstgeburt erschlagen wurde, ging der Gerichtsengel an den Häusern vorbei, bei denen das Blut dieses Lammes an die Türpfosten gestrichen war. Hier begegnet uns zum erstenmal die Bedeutung dieses Opferblutes: "Das Blut sei euer Zeichen. Wo ich das Blut sehe, will ich an euch vorübergehen." "Passa" meint das verschonende Vorübergehen Gottes. Verbunden mit dieser Feier war das Essen von ungesäuerten Broten, nachdem vorher aller Sauerteig aus der Wohnung entfernt worden war.
So beginnt dieser Abendmahlsbericht in Mt 26 damit, dass die Jünger am ersten Tag der ungesäuerten Brote (das Fest der ungesäuerten Brote dauerte insgesamt sieben Tage) Jesus fragen, wo sie das Passa zum Essen bereiten sollen (Passa kann Passafest, Passalamm, Passamahlzeit bedeuten). In der Verbindung mit den anderen Evangelien war das der Gründonnerstagabend. Die Feier reichte in die Nacht und damit in den Karfreitag hinein.
Erstaunlich ist die Vollmacht Jesu ("Der Meister lässt dir sagen"), der für diese Feier wohl das Haus eines ihm bekannten Mannes in Anspruch nimmt. Erstaunlich ist auch die Aussage diesem Mann gegenüber, dessen Name aus irgendwelchen Gründen nicht genannt wird: "Meine Zeit ist nahe" (vgl. Ps 31,16: "Meine Zeit steht in deinen Händen"). Wie ein Hausvater gibt Jesus den Auftrag, für seine Hausgemeinschaft dieses Mahl vorzubereiten. Und die Jünger tun es, wie Jesus ihnen befohlen hatte (eine wichtige Jüngercharakterisierung).
Jesus wusste, dass er selbst im Zusammenhang mit diesem Passafest das Lamm Gottes ist, das der Welt Sünde trägt (Joh 1,36) und das geschlachtet wird (Offb 5,6.9.12). Die Rettung Israels, der Auszug aus Ägypten hing am Passalamm, das in jener Nacht sein Blut vergießen musste und wovon die Israelis aßen, wie sie es bis heute tun. So wird nun das Blut des Lammes, das Jesus Christus in Person ist, das Zeichen unsrer Rettung.
Von diesem Passafest her aus dem Alten Bund ist der Weg Jesu ans Kreuz von Golgatha zu verstehen. Zu dieser Feier gehört nun, nachdem Jesus mit den Jüngern - wohl liegend auf Polstern um einen niederen Tisch - das erstaunliche Wort sagt: "Einer unter euch wird mich verraten". Das Abendmahl ist also nicht ein "Feierabendmahl" mit einer anheimelnden Atmosphäre, sondern gehört hinein in den letzten Kampf zwischen Gott und Satan. Er hat sich einen Jünger als Werkzeug ausgesucht. Jesus wusste das von Anfang an (Joh 6,64). Er nennt bei dieser Feier nicht seinen Namen, obwohl er ihm nachher bewusst einen Bissen gibt. An sich ist Essen aus einer Schüssel Zeichen der Gemeinschaft. Hier zerbricht eine Gemeinschaft, wie es schon in Ps 41,10 prophetisch angedeutet wird.
Jesus will alle Jünger zur Selbstprüfung bringen. Von daher ist es wohl richtig, dass seit der frühen Christenheit mit dem Abendmahl auch die Selbstprüfung, die Beichte, verbunden ist. Erstaunlich ist, dass die Jünger alle fragen: "Herr, bin ich's?" Auch Judas fragt so, obwohl er ihn schon verraten hat. Er nennt ihn jetzt nicht mehr "Herr", sondern "Rabbi" (Meister). Über dem Abendmahl liegt von diesem Geschehen her der Schatten des Leidens Jesu. Er muss auch das durchleiden, dass einer seiner Jünger, der drei Jahre bei ihm war, sein Verräter wird, Satan sein Herz in Besitz nimmt (Lk 22,3; Joh 13,2; 27). Jesus weiß als der Menschensohn, dass sich auch jetzt der Weg Gottes, der Plan Gottes mit ihm erfüllt. Er weiß, das alles ist kein Zufall, sondern es erfüllt sich, was von ihm in den Propheten geschrieben steht (V. 24). Er muss den Weg der Erlösung durchs Leiden gehen. Er weiß auch, dass dieses Böse des Verrats und dieses Leiden letztlich im Rahmen der Heilsgeschichte Gottes zum Heil gereichen muss. Oetinger: "Es ist Gottes Art, aus Bösem Gutes zu machen". Jesus schließt Judas trotz dieses Weges Gottes nicht aus seiner persönlichen Verantwortung aus. Jesus weiß auch um die letzte Verdammnis ("feuriger Pfuhl'", Offb. 20,14). Er lässt Judas nicht ungewarnt, der lügenhaft sein Tun verbergen will. Dieses "du sagst es" ist ein eindeutiges Ja. Aber es ist ergreifend, in welch leidender Weise Jesus mit diesem seinem Verräter umgeht. Judas hätte sich Jesus jetzt noch in die Arme werfen können, aber er tat es nicht. Wie ist Israel mit seinem Messias umgegangen bis heute! In diesem Verrat ist dies auch vorgebildet.
Auch das gehört noch hinein in diese Verbindung mit der Geschichte Israels, dass Jesus zum Schluss mit seinen Jüngern den in Israel bekannten Lobgesang spricht: Ps 113-118 (30).

Das Abendmahl gibt uns teil an der Versöhnung durch Jesus am Kreuz
Während des Essens des Passas sagt nun Jesus die entscheidenden Worte zur Einsetzung des heiligen Abendmahls. In diesen Abendmahlsworten Jesu, die bis heute bei jeder Abendmahlsfeier gesprochen werden, die wohl auch Judas noch gehört hat, erklärt Jesus seinen Jüngern, uns allen, was die letzte Bedeutung seines Weges ans Kreuz von Golgatha ist. Wohl bei vielen Gelegenheiten, auch bei der Speisung der 5000, haben die Jünger diese Gesten Jesu miterlebt: Er nahm das Brot, dankte (lobte, segnete), brach's und gab's. Das Besondere an dieser Austeilung von Brot und Wein waren diese Worte, diese einmaligen Worte, die Jesus dazu gesprochen hat (deswegen wird im Katechismus das Abendmahl ein "Wortzeichen" genannt).
"Nehmet, esset, das ist mein Leib" (vgl. Joh 6). Das ist gegenüber dem Passafest eine völlig neue und einzigartige Aussage. Er lässt uns im Abendmahl in der Gestalt des Brotes seinen Leib essen. Wir bekommen daran teil, dass er nun seinen Leib für uns dahingibt, der neu in Herrlichkeit auferweckt werden wird.
Es ist wohl der dritte "gesegnete Kelch" bei der Passafeier (insgesamt waren es vier Kelche), den er nun in seine Hand nimmt und aus dem er jeden seiner Jünger trinken lässt. "Trinket alle daraus", und dazu sagte er: "Das ist mein Blut des Bundes". Hier nimmt Jesus Worte aus dem Alten Bund auf (2.Mo 24,8), um den Neuen Bund zu stiften. Hier spricht Jesus von der Heilsbedeutung seines Blutes (welche heute z.T. abgelehnt wird!). "Mein Blut wird vergossen für viele (vgl. Röm 3,25f.: für alle, die an ihn glauben) zur Vergebung der Sünden". Dieser Sühnetod Jesu ist zentral für das ganze Neue Testament (vgl. dazu auch Jes 53).
Darum finden bis heute Menschen unter dem Kreuz Jesu, auch im Abendmahl, Vergebung ihrer Sünden, auch ich. Dieses Essen und Trinken ist ja etwas ganz Persönliches. Jesus will mir sagen: So gewiss wie du jetzt von diesem Brot, das mein Leib ist, isst und aus diesem Kelch trinkst, der mein Blut ist, so gewiss gehörst du hinein in den Neuen Bund und hast Vergebung der Sünden.
Eine Gemeinschaftsfrau, die jahrzehntelang in unsrer früheren Gemeinde in die Gemeinschaft ging, erzählt: Erst jetzt habe sie unter dem Hören dieser Austeilungsworte beim Abendmahl die Gewissheit des Heiles bekommen. Unser Herr will uns jedesmal beim Abendmahl zum Erkennen und Bekennen unsrer Sünden helfen. Er will uns aber auch immer neu zur Gewissheit helfen, dass er uns unsre Sünden vergibt, weil er unsre Sünde getragen hat.
So führt uns dieses Mahl immer neu hinein in die Gemeinschaft mit Jesus, aber auch in die Gemeinschaft mit Brüdern und Schwestern, die in gleicher Weise zu Jesus gehören. Das Abendmahl und das Kreuz Jesu gehören zusammen. Dies müssen wir bei allem bedenken, was wir bei dieser Feier sagen und wie wir sie gestalten. Das Abendmal gibt uns Verbindung mit unsrem für uns gekreuzigten Herrn und Heiland.

Das Abendmahl gibt uns teil am kommenden Reich Gottes
Nun öffnet Jesus in einer überraschenden Weise bei dieser Abendmahlsfeier den Blick nach vorne. Dies ist bis heute bei jeder Abendmahlsfeier wichtig, und deswegen liegt immer wieder eine besondere Freude über jeder Abendmahlsfeier. "Ich sage euch: Ich werde von nun an nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstocks trinken (Wein oder evtl. Traubensaft) bis an den Tag, an dem ich von neuem davon trinken werde mit euch in meines Vaters Reich (V. 29). Paulus hat das in 1.Kor 11,26 so aufgenommen: "Denn sooft ihr (täglich, wöchentlich, immer wieder) von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt". So wird jede Abendmahlsfeier zwischen dem Sterben Jesu am Kreuz und seiner herrlichen Wiederkunft gefeiert. Wir werden einmal mit ihm dieses Mahl neu feiern dürfen. Dann steht er vor uns, nicht irgendein menschlicher Verkündiger.
Deswegen ist das Abendmahl auch eine Feier der Hoffnung. Es ist ein Hoffnungsmahl, ein Freudenmahl. "Mit euch", auch mit euch, die ihr in meinem Leiden versagt hab, aber die ich als meine Jünger auserwählt habe. "Von neuem", das gehört dann schon hinein in den neuen Himmel und die neue Erde, von der wir in Offb 21 hören. Wie so oft spricht Jesus auch an dieser Stelle beim Abschied vor seinem Leiden von seinem Vater. Das kommende Reich Gottes, von dem Jesus oft gesprochen hat, ist das Reich, in dem Gott der Vater da ist. Wir dürfen im Glauben jetzt schon etwas davon erahnen.
Das Abendmahl ist nicht nur eine Privatsache von ein paar Gläubigen, sondern das Abendmahl hat es auch mit dem Reich Gottes zu tun. Auch jetzt schon bekommen wir davon eine kleine Ahnung, wenn dieses Mahl unter Christen in allen Völkern gefeiert wird.
Jesus hat dieses Mahl auch in der Erwartung des kommenden Reiches Gottes gefeiert. Deswegen darf auch bei uns, sooft wir dieses Mahl feiern, der Blick weit hinausgehen in die Vollendung des Heils Gottes, in das Reich Gottes im neuen Himmel und auf einer neuen Erde, in die Herrlichkeit Gottes. Das Abendmahl ist so ein Gedächtnismahl und ein Hoffnungsmahl, ein Gemeinschaftsmahl und ein Freudenmahl.
Jesus freut sich darauf, bis er auch "mit uns" dieses Mahl feiern darf. Daran wollen wir auch denken, wenn wir seinen Leib in der Gestalt des Brotes in die Hand nehmen und aus dem Kelch trinken.
Jesus spricht an dieser Stelle erstaunlicherweise sehr realistisch von diesem Reich Gottes. Er sagt, dass es auch dort des Gewächs des Weinstockes gibt. Weinstock und Feigen waren schon in der alten Zeit der Propheten der Inbegriff des kommenden messianischen Friedensreiches (vgl. z.B. 1.Kön 5,5).
Auch der Lobgesang gehört zu diesem Mahl. Es ist bei uns eine gute Sitte, dass wir nach dem Abendmahl miteinander den 103. Psalm sprechen "Lobe den Herrn, meine Seele".

So dürfen wir auch mit Freuden Abendmahlsgemeinschaft in unsren Gemeinschaften pflegen und an Abendmahlsfeiern teilnehmen, wenn sie vom biblischen Abendmahl her gestaltet werden. Es darf darüber eine Freude liegen. Wir sprechen ja nicht umsonst von der Abendmahlsfeier. Abendmahl ist eine Feier.

Walter Schaal, Pfarrer i.R., Stuttgart-Degerloch