Matthäus 15, 32 - 16, 12

Geschenkte und geforderte Zeichen

Das Wunder der Speisung der 4000 (32-39)
Der Abschnitt wirkt zunächst wie eine Wiederholung von Mt 14,13-21 (Speisung der 5000), die Situation, die Ratlosigkeit der Jünger und ihre Armut, und dann das Handeln von Jesus, der über Bitten und Verstehen aus göttlicher Fülle heraus gibt. Warum wird zwei Mal praktisch das Gleiche erzählt? Es lohnt sich, dieser Frage nachzugehen, denn "im Evangelium steht kein Wort zuviel" (Dietrich Bonhoeffer). Die Antwort kann nur heißen: Die Jünger haben tatsächlich immer wieder diese Situation erlebt, in der sie nichts hatten, um der Not zu begegnen. Und immer wieder sahen sie nur ihre kleinen Möglichkeiten, die nirgendwo hinreichten. Und immer wieder hat sich die Not gewendet, als sie mit ihrem Unvermögen zu Jesus kamen und ihn handeln ließen.
Auffallend ist, dass wir von dem eigentlichen Wunder gar nichts berichtet bekommen, wir sehen nur das "Ergebnis" (V. 37) und die "Vorbereitung" (V. 36): "nehmen, danken, brechen, geben". Dies ist zunächst einmal das, was jeder Glaubende zu Beginn einer Mahlzeit tut und keine Zauberformel, und doch benützt Gott diesen Weg, um so durch Jesus das Wunder zu tun. Und so können auch wir unsere Gaben nehmen (anstatt sie für zu gering zu halten), Gott dafür danken, sie brechen (also gebrauchen und nicht unbenützt liegen zu lassen) und für andere nutzbar machen. Und er kann damit seine Wunder wirken.

Die Zeichenforderung der Pharisäer (1-12)
In auffallendem Gegensatz zu der von Jesus geschenkten Speisung der 4000 steht die Zeichenforderung der Pharisäer. Hier wird nicht Jesus in Not angerufen, sondern ohne Not ein Schauwunder gefordert, mit dem sich Jesus ausweisen soll. Dies lehnt Jesus rundweg ab, denn dazu gibt es weder Recht (nicht Jesus ist uns Antwort schuldig, sondern wir ihm) noch Notwendigkeit (es sind genug Wunder geschehen, die den Anbruch der Heilszeit in Jesus bezeugen). Wie schon einmal bei einer Zeichenforderung (vgl. Mt 12,38-41) weist Jesus auf das eine große Zeichen hin, das die Überwindung des Todes und damit den Sieg über den "letzten Feind" (1.Kor 15,26) vor Augen führen wird: seine Auferstehung am dritten Tage (vgl. Mt 12,40). An unserer Stellung zu diesem Zeichen entscheidet sich, ob wir am Heil Anteil haben. Darum warnt Jesus so scharf vor der falschen Lehre, denn sie bringt uns um das Kostbarste, das wir haben: die ewige Gemeinschaft mit Jesus. Schlimmer als der Mangel an Brot ist das Fehlen einer begründeten Hoffnung (V. 7-12).

Fragen zum Gespräch:
· Wo haben wir schon wiederholt Gottes Wirken erlebt, ohne dass daraus unser Vertrauen in Gottes Macht gewachsen ist (vgl. 16,9)?
· "Nehmen, danken, brechen, geben" (vgl. 15,36). Wie gehen wir mit den uns gegebenen Gaben um?
· Gibt es in unserem Leben Forderungen an Gott, mit denen wir uns gerade um das Entscheidende bringen (vgl. 16,1)?

Pfarrer Stefan Engelhart, Lorch