2. Korinther 12, 9

Paulus in der Seelsorge Jesu

Der Hiob des Neuen Testaments
Es gibt keinen anderen Brief des Apostel Paulus, in dem er so viel über sein eigenes Leben schreibt wie im 2. Korintherbrief. Hier gibt er vieles preis, öffnet sich - gezwungenermaßen - was er nicht getan hätte, wäre es nicht um seine Autorität als Apostel in der Gemeinde zu Korinth gegangen. Dieser Brief zeigt uns den Apostel "in Trübsal", als geplagten Menschen: Kapitel 1,8; 2,4; 4,8-12+16; 6,4; 7,5; 11,16-33; 12,7.
Paulus hat, wie selten einer, nach vorwärts und nach rückwärts durchbuchstabiert, was "Trübsal" heißt, der Hiob des Neuen Testaments. Er macht aus seiner misslichen Lage gar kein Hehl. Dabei kennt er Leute, die an der Tiefe seiner Leiden Anstoß nehmen. Er ist angegriffen, und seine Angreifer sind Starke, von der unerbittlichsten Sorte. Sie schauen auf Paulus herunter, weil dieser in ihren Augen ein Schwacher ist. Sie verwundern und ärgern sich, dass ein Botschafter Jesu derart miserabel dran sein kann. Aber Paulus schämt sich nicht darüber. Er weiß: "Was wir jetzt leiden müssen, dauert nicht lange und ist leicht zu ertragen, wenn wir bedenken, welch unendliche, unvorstellbare Herrlichkeit uns erwartet" (4,17+18 - "Hoffnung für alle").

2. Korinther 12, 9

Begnadigt und gedemütigt
Nein, die Angreifer hatten kein Recht, sich über ihn zu erheben! Es stimmt: "Von Menschen werden wir verfolgt, aber bei Gott finden wir Zuflucht. Wir werden zu Boden geschlagen, aber wir kommen nicht um" (4,9) hält er dagegen. Und was die großartigen, geheimnisvollen Offenbarungen betrifft, mit denen die Herausforderer so auftrumpfen: Jetzt bricht Paulus das Schweigen und redet von Erscheinungen und Offenbarungen, die er vom Herrn empfing. Was er erlebt hat, hütete er wie ein Geheimnis. Auch den Gemeindegliedern in Korinth hat er nie davon erzählt. Aber jetzt war der Zeitpunkt gekommen, von dem zu berichten, was schon 14 Jahre zurück lag. "Damals verschwand für ihn der irdische Ort, und er wurde durch mehrere Himmel durchgeführt bis in den dritten" (A. Schlatter). Ein anderes Mal war er ins Paradies entrückt und hörte unaussprechliche Worte (12,4).
Paulus hatte einen Blick getan in die Himmel und Worte gehört wie nie zuvor und nie hinterher. Er sagt nicht, was er gesehen und gehört hat, aber es war unvergesslich und unauslöschlich. Niemand konnte es ihm nehmen, was der Herr ihm da geschenkt hatte.
Wenn er seinen Auftrag auch unter enormen Entbehrungen und Mühen ausführen musste, wurden ihm dafür unsagbar schöne Erlebnisse gewährt! Wenigstens wurde er für das Schwere entschädigt, und er konnte seinen Angreifern in Korinth die Stirn bieten, jenen, die so wichtig taten mit Einsichten in tiefe Dinge und mit Visionen! Wenn es auf Gesichte und

2. Korinther 12, 9

Einen Pfahl im Fleisch - ein Dorn, der ihm nicht nur gelegentlich, sondern andauernd zu schaffen machte. Schon ein winziger Dorn, z.B. von einem Kaktus, plagt uns, bis wir ihn mit der Pinzette entfernt haben. Immer wieder stellt sich die Frage, worunter Paulus litt: waren es physische Behinderungen (ein Augenleiden?), oder waren es psychische Leiden (Depressionen?), oder waren es Leiden ganz anderer Art? Was hat ihn immer wieder so heruntergeholt, so gepeinigt und gedemütigt, dass er schreiben muss, es sei gegen mögliche Überheblichkeit?
Martin Luther soll gesagt haben: "Er habe schon oft mit Sankt Paulo Zwiesprache gepflogen, was dieser Pfahl und diese Satansfäuste wohl gewesen seien, aber der Apostel habe es ihm noch nie gesagt".
Wir wissen es nicht und sollen es offensichtlich nicht wissen. Luther rief aus: "Lieber Gott, muss solch großem Mann noch Anfechtung anhangen, damit er sich nicht überhebe, wie sollten erst wir Gebrechlichen des Überhebens frei sein!" "Pfähle im Fleisch sind nicht, wie die Starken in Korinth meinten, ein Beweis gegen, sondern für die Begnadigung eines Dieners Christi" (W. Lüthi).
Das Schwere soll ihn schützen, dass die Bevorzugung ihm nicht gefährlich wird. Überheblichkeit gegenüber Menschen und vor allem gegenüber Gott brachten manchen begnadeten Diener Gottes zu Fall. Jesus war von Herzen demütig. Er stieg Stufe um Stufe hinab bis zum entehrenden Tod am Pfahl. Darum hat ihn auch Gott über alles erhöht. Ihn vor Augen schrieb Petrus: "Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade" (1.Petr 5,5).
Adolf Schlatter führt an, es sei die Vergangenheit als Verfolger der Gemeinde Jesu, die zeitweise mit gewaltiger Wucht über Paulus kam, ihn ins Gesicht und auf den Mund schlug und ihm so den Dienst am Wort (und den apostolischen Auftrag) unmöglich machen sollte. W. Lüthi schreibt: "Es handelt sich hier ums Berufsleiden dessen, der im Dienst am Wort steht".
Was ist es, was uns persönlich immer wieder zu schaffen macht? Dinge, die uns anscheinend hemmen im Dienst für Gott! Einschränkungen, die wir schmerzlich empfinden!
Paulus ist ganz offen. Er sagt, dass er diese Last gern losgeworden wäre. Er kann sie nicht einfach akzeptieren und mit Gleichmut tragen. Er wäre sie gerne los, schon um des Amtes willen. Diese Last der Anfechtung lässt ihn sich oft so ohnmächtig fühlen. Und die andern spüren diese Ohnmacht auch.

Was ist es, was uns persönlich immer wieder zu schaffen macht? Dinge, die uns anscheinend hemmen im Dienst für Gott! Einschränkungen, die wir schmerzlich empfinden!
Paulus ist ganz offen. Er sagt, dass er diese Last gern losgeworden wäre. Er kann sie nicht einfach akzeptieren und mit Gleichmut tragen. Er wäre sie gerne los, schon um des Amtes willen. Diese Last der Anfechtung lässt ihn sich oft so ohnmächtig fühlen. Und die andern spüren diese Ohnmacht auch.

2. Korinther 12, 9

Meine Ohnmacht und Gottes Allmacht, das gibt Vollmacht
Paulus wusste: Um die Angriffe Satans abzuwehren, braucht es die Waffenrüstung Gottes. Helm, Schild und Schwert werden noch durch eine besondere Waffe ergänzt: das Gebet! (Eph 6,10ff). Wenn die Anfechtungen Paulus peinigen, geht er ins Gebet. Ja er kämpft im Gebet und bittet selbst seine Brüder und Schwestern im Glauben: "...dass ihr mir kämpfen helft durch eure Gebete für mich zu Gott!" (Röm 15,30).
Paulus hat gewaltige Gebetserhörungen erlebt (Apg 13,11; 14,10; 16).
Juden und Heiden kamen aus innerer Finsternis zum lebendigen Glauben an Jesus.

Hat es Paulus weh getan, dass der Herr viele seiner Gebete sofort erhörte, nicht aber das um Befreiung seiner eigenen Not? Wir lesen nichts darüber. Als seine Bitte, der Herr möge ihn doch befreien von dieser Last, nicht erhört wurde, hat er dennoch nicht mit Beten aufgehört. "Wacht im Gebet mit aller Beharrlichkeit", schreibt er den Ephesern. Dreimal flehte er zum Herrn. Und er betete nicht vergeblich. Sein Leiden blieb, aber er bekam eine Antwort vom Herrn: "Meine Gnade ist für dich genug, denn die Kraft kommt durch die Schwachheit zur Vollendung".
Luther: "Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig."
Was heißt das? Soll das eine Art Trostpreis für Verlierer sein? An dieser Stelle endete für viele Geplagte das Schweigen Gottes. Wie Paulus litten und leiden sie. Wie er beten und bitten sie. Wie er fragen und suchen sie, bis auch sie die Worte Jesu vernehmen: Ich bin dir doch trotzdem gnädig gesinnt. Mit Wohlwollen und Liebe schau ich auf dich! Die Gnade umschließt alles, was du brauchst. Hast du sie nicht, fehlt dir alles.
· Es war Gnade gewesen, als er, der Verfolger, gestoppt, überwältigt, umgeworfen, aber nicht vernichtet worden ist. Die Gnade hat ihn aus der Verblendung gerissen und in Jesu Licht gestellt.
· Ich bin ohne eigenen Verdienst gerecht gemacht aus Gnade.
· Es war die Gnade, die aus ihm machte, was er war.
Durch Jesus, schreibt er an die Römer, haben wir empfangen Gnade und Apostelamt!
"Durch Schwierigkeiten mancher Art wurd' ich ja schon geführt, doch hat die Gnade mich bewahrt, die Ehre Gott gebührt." Die Gnade genügt. Jesus genügt!
Und noch etwas: Die Kraft Gottes wird durch die Schwachheit nicht gehindert. Der Herr wird durch Paulus wirken, auch mit dem "Klotz am Bein".

2. Korinther 12, 9

Eine zweifache Verheißung hatte er bei seiner Bekehrung erhalten (Apg 9,15+16):
- auserwähltes Werkzeug
- leiden um Jesu willen
Das hängt ineinander. Paulus wird mitsamt der Schwachheit Gottes Willen tun.
Wenn ich Jesus meine Ohnmacht bringe, kommt mir Gott mit seiner Allmacht entgegen.
"Meine Ohnmacht und Gottes Allmacht, das gibt Vollmacht."

Renate Leonhard, Gemeinschaftsdiakonin, Stuttgart