Nehemia 6, 1-19; 7, 1-3

Durch große Gefahr ans Ziel

Nehemia in Gefahr
Nachdem die verschiedenen Angriffe auf die jüdische Gemeinschaft in Jerusalem abgewehrt wurden, geht es nun gegen die Person von Nehemia direkt. Gegner von außen, aber auch in der Stadt, im eigenen Volk, wollen die Vollendung der Mauer mit allen verfügbaren Mitteln verhindern. Obwohl noch keine zwei Monate vergangen sind, ist die Mauer fertiggestellt. Nur noch die Stadttore fehlen zur Wiederherstellung der Verteidigungsfähigkeit.
Es ist in der Bibel und der gesamten Kirchengeschichte bis heute immer neu zum Staunen, wie Gott in der Gemeinde durch einzelne Männer und Frauen, die ihn über alles lieben und ehren, Veränderungen zuwege bringt, die zuvor unvorstellbar schienen.
Und so wuchs damals mit jedem Tag in der jüdischen Gemeinschaft das (Selbst-)Bewusstsein: "Ein Volk, eine Stadt, ein Leiter und - vor allem - ein Gott." Es war ein nationaler und ein geistlicher Aufbruch. Jedem, auch den Feinden Israels, war klar, dass Nehemia als Motor und Lenkter in der Mitte dieses Aufbruchs stand. Darum sollte das Werk noch verhindert werden, indem man ihn ausschaltete. Besonders gefährlich dabei war, dass die Gegner von außen und Gegner in der Stadt nun Hand in Hand zusammenarbeiten.

Angebot von "Freundschaft" (1-4)
Die Gegener lenken scheinbar ein, bieten ein freundschaftliches Gespräch an, viermal! Damit wollen wie Nehemia von seinem Auftrag und der schützenden Stadt und Gemeinschaft weglocken, ihn gefangensetzen und töten. Weil aber Nehemia seine Berufung kennt und auch als Statthalter weiß, dass er Schutz und Rückhalt der Gemeinschaft braucht, läuft der Angriff ins Leere.

Angebot von politischer Unterstützung (5-8)
Bis heute in Politik und Medien zu beobachten. Zuerst wird eine Lawine losgetreten, dann "sorgenvoll" darüber diskutiert. Damals: Krokodilstränen werden über ein Gerücht verbreitet, das selbst in die Welt gesetzt wurde und mit dem nach Kräften - der Brief kommt ohne Siegel, unverschlossen - gerade in Jerusalem Stimmung gemacht und Unsicherheit verbreitet werden soll. Hier schützt Nehemia seine Wahrhaftigkeit. "Nichts davon ist wahr", kann er sagen. Und seine Wachheit für seine Berufung: "Wenn die Furcht Wurzeln schlägt, lähmt sie".

Angebot von "göttlichem" Schutz (10-13)
In der Begegnung mit dem Propheten Semaja bekommt Nehemia unaufgefordert eine "Weissagung". Unmittelbare Todesgefahr samt Rettungskonzept ist ihr Inhalt. Aus dem Mund eines Israeliten und eines Gottesmannes kommt dieser Angriff. Was für eine Gefahr, in diese Falle zu tappen und was für ein Schmerz wohl bei Nehemia zu erkennen: Nicht nur von außen, sondern hier, mitten in der Stadt, bei den "Frommen" werden mir Fallen gestellt. Mit Bibelworten, fromm klingenden Argumenten und Gebeten kann man Gottes Willen wehren und die Berufung von Verantwortlichen erschüttern. "Du machst zu schnell und bringst alles durcheinander, du spaltest die Gemeinschaft..." Gott hilft Nehemia zu einer Unterscheidung der Geister durch seinen Glaubensmut. "Ich steh in meines Herren Hand, ich werde nicht fliehen." Und durch seine Kenntnis und den Gehorsam Gottes Wort gegenüber. Ihm als Laien war das Betreten des Inneren des Tempels verboten.
Gott schützt und bewahrt Nehemia nicht durch ein Wunder, senkrecht von oben. Nehemia ist ein von Gottes Wort geprägter und seiner Berufung treuer Mann. Seine von Gott ausgerichtete Persönlichkeit macht ihn unangreifbar. Sein Festhalten an der Gemeinschaft, seine Wahrhaftigkeit, sein Glaubensmut, sein Gehorsam gegenüber Gottes Wort und vor allem sein unbeirrtes Festhalten - auch gegen Störfeuer von innen - an seiner Berufung. Merh noch: Er kapiert den Ernst der Stunde und "stärkt um so mehr seine Hände" (V. 9).

Die Fertigstellung der Mauer (6,15-7,3)
Nach nur 52 Tagen wird so das Ziel erreicht, hat die Gemeinde wieder einen geschützten Ort. Doch selbst jetzt, wo die Freude einen müsste, wird von innen gewühlt und untergraben. Nehemia bleibt nüchten und wach. Er kann diese Umtriebe nicht verhindern, doch er geht weiter, schützt das eben entstandene Werk.
Fragen zum Gespräch:
· Was alles tat Nehemia in dem Kesseltreiben nicht, was uns oft selbstverständlich naheliegt?
· Wo stehen wir in Gefahr, Aufbrüche in Kirche und Gemeinschaft oder die, die darin Verantwortung tragen, leichtfertig zu beschädigen?
· Sehen wir die Angriffe von innen und außen auf geistlich bewegte Leiter noch? Wie unterstützen und stärken wir sie?

Pfarrer Karl-Hermann Gruhler, Endingen