Nehemia 1,1-11

Wie alles beginnt

Das Buch Nehemia ist ein hervorragendes Beispiel zum Thema "Neubeginn und Wiederaufbau" (siehe Einführung). Dabei ist bereits das erste Kapitel grund-legend! Achten wir genau darauf, wie alles beginnt.

1. Nehemia nimmt die Notlage aufrichtig wahr (V. 1-4)
· Er zeigt echtes Interesse am Ergehen des Volkes Gottes (V. 2). Alles beginnt damit, dass Nehemia sich nach dem Ergehen des Volkes Gottes erkundigt: "Ich fragte sie". Mit dem Interesse beginnt es, mit einem echten Fragen. Dazu braucht man ein offenes Herz und Ohr - dann kann Gott uns etwas zeigen. So wird etwas in Bewegung gesetzt. Wir empfangen erst dann einen Auftrag, wenn uns die Augen für Gottes Sache geöffnet werden und wir genau hinschauen, wie es wirklich um das Volk Gottes bestellt ist. Für uns heute: Wie geht es dem Volk Israel? Wie geht es der Gemeinde Jesu weltweit? Wie geht es der verfolgten Christenheit - unserer Kirche - unserem Verband - der Gemeinschaft vor Ort? Wer so fragt, schaut weg von sich. Ein Zeichen echten geistlichen Lebens.
· Die Realität nüchtern wahrnehmen (V. 3). Die Auskunft ist hart, die Situation ist äußerst schwierig: Trümmer, Zerbruch, Schmach. Doch die Wahrheit darf nicht geschönt werden. Verharmlosung ist eine Taktik des Teufels - dann geschieht auch nichts. Und so gilt es heute auch, die geistliche Realität in unserem Volk, in unserer Kirche und in unseren Gemeinschaften nüchtern wahrzunehmen.
· Er ist innerlich tief bewegt (V. 4). Ein Beispiel, wie ein Mann des Glaubens die Not seines Volkes aufs Herz nimmt und mit leidet. Er denkt nicht: Es ist alles wohl halb so schlimm; wahrscheinlich ist der Bericht sehr übertrieben! Wenn wir geistlich etwas bewegen wollen, müssen wir die Not erst auf unser Herz nehmen. Das lernen wir bei den Männern des Glaubens: Abraham (1.Mo 14); Mose (Hebr 11,24-26); Daniel (Dan 9,4-6) usw. Erst recht sehen wir es bei Jesus. Ihn "jammerte das Volk", und er weinte um Jerusalem. Wer denkt: "das geht mich nichts an", hat die geistliche Mitverantwortung noch nicht begriffen. Dabei hätte es Nehemia überhaupt nicht nötig gehabt. Er hatte eine gesicherte Existenz und stand weit oben in der Karriereleiter! Er hätte denken können: Damit habe ich nichts zu tun!

2. Ein Mann des Gebets
Nehemia bleibt nicht bei der Betroffenheit stehen und lässt sich davon erdrücken - er gibt die Last wieder ab im Gebet. Dem Eindruck muss der Ausdruck folgen. Informationen müssen ins Gebet führen. Dabei lernen wir von Nehemia sehr Konkretes über das Gebet.
· Er betet sofort (V. 4). Die Last muss sofort wieder abgegeben werden, sonst bekommt sie Macht über uns. Wieviele werden seelisch erdrückt, weil sie die Lasten mit sich herumschleppen. Deshalb: 1.Petr 5,7.
· Er betet intensiv und geduldig. Er setzt sich - nimmt sich Zeit - betet tagelang - Tag und Nacht (V. 6). Und das vier Monate lang (vom Monat Kislew - V. 1 - bis zum Monat Nisan - 2,1). Solches intensive Gebet macht geistlich hellwach und verändert uns! Was hat sich in diesen vier Monaten in Nehemia nicht alles ereignet! Gott zeigte ihm Schritt für Schritt, was dran ist - wir sehen es in Kapitel 2! Das Gebet muss erst in mir etwas bewirken, ehe es durch mich etwas bewirkt.
· Er betet gegen den Zustand seiner Seele. Seine Stimmung ist tief gedrückt! Doch: Er beginnt mit dem Dank, dem Lob Gottes und der Anbetung (V. 5). Anbetung heißt: Ich preise Gott ganz unabhängig davon, wie es mir geht. Ich beschreibe ihn, sein Wesen und seine Taten.
· Er beugt sich unter die Schuld (V. 6+7). Geistliche Erneuerung beginnt immer mit Buße und Beugung. Er bekennt die Schuld des Volkes Gottes und seine eigene Schuld ("wir"). Solches Beugen macht gleichsam den Landeplatz frei, dass Gott unter uns wieder Raum hat.
· Er betet nach dem Willen und der Verheißung Gottes (V. 8+9). "Beten heißt, Gott den Sack seiner Verheißungen vor die Füße werfen" (Martin Luther). So macht es Nehemia. Er erinnert Gott an sein Wort; er nimmt Gott ernst bei seinen Zusagen und bei seinem Willen (dreimal steht hier "so will ich"). Wir beachten für uns: 1.Tim 2,4.
· Er erinnert an Gottes Geschichte mit seinem Volk (V. 10). "Wenn man nicht mehr vorwärts glauben kann, soll man rückwärts glauben" - das heißt: Gott an seine Taten erinnern (Ps 103,2). Ein solches Zeugnis früherer Durchhilfe Gottes ist segensvoll. Wir erinnern uns an seine Tat auf Golgatha und an persönliche Führungen im Leben.
· Er betet erwartungsvoll und konkret (V. 11). "Heute" heißt: Handle bitte jetzt und konkret. Dabei ist er bereit, sich selbst gebrauchen zu lassen (dein Knecht). Und er ahnt (wohl im Laufe der Wochen des Gebets immer mehr), dass er eine Schlüsselfigur sein wird: "Denn ich war des Königs Mundschenk". Dabei weiß er, dass es am Segen und an der Gnade Gottes allein liegt. Das zeigt sich auch in Kapitel 2,4: "Da betete ich zu dem Gott des Himmels und sprach zum König".

Wie alles beginnt? Mit innerer (geistlicher) Anteilnahme und mit ernsthaftem, ausdauerndem Gebet.

Wer sich in der Stille unter Gottes Willen beugt, wird dadurch tüchtig und frei, auch öffentlich zu handeln. (Bodelschwingh).

Otto Schaude