1. Mose 37, 1-11

Gott bereitet einen Hirten vor

Wichtig bei der Auslegung der einzelnen Abschnitte der Josefsgeschichte (Jg) ist, dass wir die Grundlinien der gesamten Geschichte im Auge behalten - s. Einführung in die Jg/Punkt II.
Diese Verse sind nicht nur der Beginn der Jg, sondern sie beinhalten zugleich einige

1. Bemerkenswerte Überschriften
- FREMDLINGE (V. 1)
Dieser Hinweis zu Beginn der Jg ist wichtig; die Geschichte der Väter steht unter dem Zeichen der Fremdlingschaft! Ein deutlicher Hinweis schon bei Abraham (vgl. Hebr 11,13-16) und Isaak (1.Mo 26,3). Hier leuchtet eine grundlegende Linie des Gottesvolkes zu allen Zeiten auf: Hebr 13,7 / Phil 3,20. Lebensführungen sind oft so von Gott eingerichtet, dass sie uns daran erinnern, weil wir gerne so sesshaft sind (vgl. GL 679,2+3).
- "UND DIES IST DIE GESCHICHTE VON JAKOBS GESCHLECHT" (V.2)
Deutlicher Hinweis: Es ist eigentlich die (Fortsetzungs-)Geschichte Jakobs.
- Nicht nur, weil Jakob noch lebte und als Familienoberhaupt wirkte. Jakob hatte den Namen "Israel" erhalten. Es ist also Israels Geschichte - ein Teil der Geschichte Gottes mit Israel.

2. Ein Hirtenamt
Beachtenswert ist, dass bei Josef extra der Hirtenberuf erwähnt wird.
- Es war eigentlich in der gesamten Familie selbstverständlich. Doch hier wird von Anfang an deutlich: Josef - ein Hirtenleben! Nicht nur ein Hirte einer großen Viehherde, sondern ein wirklicher Hirte für die Familie und für viele. Der Hirtendienst war damals ein Leben mit viel Mühe, aufopferungsvoller Arbeit, Durststrecken und (Todes-)Gefahren. So auch der "innere" Hirtendienst. Diese Sicht des Hirtendienstes ist grundlegend für das Verständnis der Jg und auch für die zwei Begebenheiten im jugendlichen Alter:
- Schuld wird aufgedeckt (V.2)
Josef bringt Schuld in Offenheit und Wahrheit ans Licht. Nicht aus "Tratschsucht" - er überbringt es (nur) dem Vater. Zielsetzung: Veränderung und Heilung. Ein Dienst, der selten Beifall, viel mehr Ablehnung erfährt.
- Josefs Träume (V.5-9)
Sie sind ein klares Reden Gottes für ihn und eine bildliche Vorausdarstellung künftiger Ereignisse. Gott zeigt Josef seinen Plan. Er bekommt den weiten Blick ans Ziel. Ein Hirte muss wissen, wo es lang geht und den Weg überblicken, den die Herde nicht überblickt.
- Die Träume waren wichtig für Josef: Der weite Blick ans Ziel gab ihm die Kraft auf dem äußerst beschwerlichen Weg.
- Es war eine Botschaft an alle: Gott hat einen außergewöhnlichen Plan. Wieder: nicht Beifall, sondern Ablehnung. Träume treten in der Jg immer paarweise auf. Gott bestätigt den ersten Traum jeweils durch einen ähnlichen zweiten Traum. Es ist gleichsam das Amen Gottes.
Anmerkung: Beide Begebenheiten werden oft so ausgelegt, dass Josef hier angeberisch, hochmütig und ein Petzer war. Diese menschlich verständliche Auslegung hat jedoch nirgends einen Beleg! In der gesamten Jg treten diese Züge nirgends bei Josef auf.

3. Vom Vater geliebt
Deutlich wird die Liebe des Vaters zum Sohn hervorgehoben. Der Vater macht seine Liebe sichtbar - Liebe kann verschwenderisch sein!
- Ein Hinweis auf die Erwählung: Erwählung geschieht aus unverständlicher und unverdienter Liebe (5.Mo 7,7; Eph 1,4ff). Sie ist nicht Bevorzugung, sondern stellt in den Dienst! (Josef wird gesandt - V.12ff.)
- Der Vater verherrlicht den Sohn durch den bunten Leibrock (vgl. Joh 5,20; 12,28;17,5).
- Diese Liebe des Vaters wird in den schweren Führungen des Lebens für Josef ein entscheidender Halt. Er ist verankert in der Liebe des Vaters.

4. Ablehnung durch die Brüder
Gründe für die Ablehnung:
- Schuld wird aufgedeckt (V.2)
- Die besondere Liebe des Vaters (V.3)
- Die Weitergabe der Gottesoffenbarung (V.8)
Besonders die Liebe des Vaters ruft starken Neid hervor. Hier wird ein Nerv getroffen bei uns Menschen - vor allem auch bei den Frommen: Wie reagieren wir, wenn es anderen besser geht, wenn Gott ihnen seine besondere Güte zeigt?
Beispiel 1: Die beiden verlorenen Söhne (Lk 15,11ff). Die verschwenderische Liebe des Vaters zum jüngeren Sohn ruft beim älteren Groll und Neid hervor.
Beispiel 2: Arbeiter im Weinberg (Mt 20,1ff). "Warum siehst du so scheel drein, weil ich so gütig bin?" (V.15) Keine Benachteiligung ist festzustellen.
- Beim älteren Sohn (Lk 15,31): Alles, was mein ist, das ist auch dein.
- Bei den Arbeitern (Mt 21): Sie erhalten alle ihren gerechten Lohn
- Bei den Brüdern des Josefs (1.Mo 37,12 ff): Der Vater sorgt sich in großer Zuwendung um sie.

5. Bemerkenswert
- Aus dem Herzen kommen arge Gedanken (Mt 12,34+35).
- Der Vater reagiert anders als die Brüder (V.11). Auch er kann die Träume nicht einordnen. Aber: Er behält die Worte (Lk 2,19; 49+50).
- Hinweis auf Jesus (s. Einführung Teil III und Überblick "Josef und Jesus")

Fragen zum Gespräch:
- Wie redet Gott heute zu uns? (vgl. Hebr 1,1)
- Wie geschieht geistlich das Aufdecken von Sünde?
- Wo bricht bei mir Neid auf bei Gottes Güte zu anderen?

Otto Schaude, Reutlingen