22. Dezember

„Trotzdem Licht“


Dies ist die Nacht, da mir erschienen, des großen Gottes Freundlichkeit

Kaspar Friedrich Nachtenhöfer war Kriegskind. 1624 in Halle geboren, hörte er als Kind und Jugendlicher kein Wort so oft wie das Wort Krieg. Als endlich in Münster und Osnabrück Frieden geschlossen wurde, da war das ganze Land zerstört. Da zog ins kleine Dorf Meder ein junger Pfarrer ein. Er fand eine Frau, sie bekamen zwei Kinder. Gemeinsam setzten sie sich für ihre Gemeinde ein. Und die Gemeinde liebte sie. Bei der Geburt des dritten Kindes starb seine Frau und das Neugeborgene mit ihr. Kaspar Nachtenhöfer war allein mit seinen beiden Kindern. Die beiden schauten ihn entsetzt und fragend an: Was soll jetzt werden? Tapfer versuchte er, weiterzumachen. Schließlich wusste er, was seine Gemeinde von ihm erwartete. Aber wie sollte es weitergehen? Er wollte nicht wieder heiraten – aber seine Gemeindeglieder dachten anders: Das Haus, die Landwirtschaft, die kleinen Kinder. Und so besorgten sie ihm eine Frau. Sie war ein Geschenk für ihn. Sieben Jahre lang. Dann stand er wieder am offenen Grab: Auch Maria Elisabeth war gestorben. Er beerdigte sie. Er sprach von Gottes Güte in allem – dann konnte er nicht mehr. Leute, die ihm helfen wollten, wies er ab. Er stürmte heim und schloss sich in seinem Arbeitszimmer ein. Und verschlossen wurde auch sein Wesen – mehr und mehr. Er  zweifelte nicht an Gott, das nicht. Aber er zweifelte an Gottes Güte. Und das lähmte ihn zutiefst.

Das Weihnachtsfest stand vor der Tür. Und mit Bangen dachte er an die Predigt an Heiligabend: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab …“ Und da geschah es. In der Nacht vor Heiligabend 1684. Was kein Mensch erklären kann. Was niemand machen kann. Was nur die wissen, denen es ähnlich ergangen ist. In dieser Nacht machte das alte Bibelwort aus einem Menschen einen Ergriffenen. Und was es heißt, dass Gott diese Welt liebte – das leuchtete ihm auf einmal ein. Und das Beweisstück dazu: „… so sehr, dass er seinen einzigen Sohn gab!“

In der Christnacht spürten die Meder, dass mit ihrem Pfarrer etwas geschehen war. Eine Glut brannte ihn ihm, die er nicht selbst angezündet hatte. Das war ein anderes Licht, das da leuchtete. Das hatte mit dem liebenden Gott zu tun. Und so entstand in jener Weihnachtszeit das einzige Lied, das wir von Kaspar Friedrich Nachtenhöfer (1684) im Gesangbuch haben:

„Dies ist die Nacht, da mir erschienen, des großen Gottes Freundlichkeit;
das Kind, dem alle Engel dienen, bringt Licht in meine Dunkelheit. Und dieses Welt- und Himmelslicht weicht hunderttausend Sonnen nicht!“

Christiane Rösel