15. Dezember

Es war am Heiligen Abend vor einigen Jahren …

Unser Nachbar liegt schon einige Wochen schwerkrank in der Klinik. Das sind so die  Momente, wo ich das Gefühl habe – richtige Worte gibt es einfach nicht. Erwartet auch niemand. Aber Anteilnehmen möchten wir doch. Aber wie? Nach und nach trudeln unsere erwachsenen Kinder ein. Auf einmal ist die Idee da: Wollen wir nicht auf dem Weg zum Gottesdienst in der Klinik vorbeischauen und ein paar Lieder für unseren Nachbarn und seine Frau singen? Die Nachbarin freut sich, verhalten, wie es ihre Art ist: "Kommen Sie doch gerne vorbei!" Wir machen uns auf den Weg.

Unser „Familien-Ensemble“ besteht aus fünf Sängerinnen und Sängern, zerfledderten Weihnachtsliederbücher und einer Gitarre. Und dann stehen wir an seinem Bett und sind uns nicht sicher, ob er uns erkennt. Seine Frau steht daneben. Und dann singen wir für ihn:

„Welchen Jubel, welche Freude, bringt die liebe Weihnachtszeit! Fröhlich sieht man alle Leute in der ganzen Christenheit! Ehr sei Gott so lasst erschallen, und Fried auf Erden, Menschen Wohlgefallen! Euch ist ja der Heiland geboren, der Herr in der Davidsstadt!“
(Text: Ernst Gebhardt 1875)

O Schreck, passt das – jetzt und hier? Fröhlich ist ja wohl etwas anderes. Wir singen tapfer weiter und nach einigen Liedern verabschieden wir uns.

Es ist ein paar Wochen später und unser Nachbar ist wieder zu Hause. Ein Wunder. Damit konnte man nicht wirklich rechnen. Und irgendwann meinte er zu mir: „Wissen Sie, Frau Rösel, ich kann mich an kaum etwas erinnern aus diesen Wochen. Aber dass Sie mit Ihrer Familie gesungen haben ‚Welchen Jubel welche Freude‘, das weiß ich noch!“ Danke dafür!

Christiane Rösel