Wiederkunft

I. Begriffe des Neuen Testaments

Der Glaube an eine Wiederkunft des Herrn Jesus Christus zur Erde gehört zu den grundlegenden Aussagen christlichen Glaubens. Theologisch rechnet man die Lehre von der Wiederkunft zur Eschatologie (Lehre von den letzten Dingen). Der im NT dafür meist gebrauchte Ausdruck „parousia“ bezeichnet im weltlichen Sprachgebrauch der neutestamentlichen Zeit die Ankunft des Herrschers zu einem offiziellen Besuch. Daneben kommen die Ausdrücke „Erscheinung“ (griech. epiphaneia, z.B. 1.Tim 6,14; 2.Tim 1,10; Tit 2,13) und „Offenbarung“ (griech. apokalypsis, 1.Kor 1,7; 2.Thess 1,7; 1.Petr 1,7.13; 4,13) vor.

Die neutestamentlichen Aussagen darüber sind als Erfüllung der prophetischen Worte über den Tag des Herrn (z.B. Joel 2,1ff; Mal 3,2) zu verstehen, wenn ihnen auch im Gegensatz zu diesem Tag nicht mehr ausschließlich der Charakter des Gerichtes anhaftet. Der Herr, der bei seiner Himmelfahrt die Erde verließ, um seinen Sitz wieder beim Vater zu nehmen, wird zu einem dem Menschen unbekannten Zeitpunkt zur Erde zurückkehren, um im Auftrag seines Vaters das letzte Gericht zu halten und die Gottesherrschaft aufzurichten.

II. Die Botschaft Jesu

Jesus selbst hat, wie er seinen Jüngern klaren Aufschluß über seine Herkunft vom Vater und über seinen Weg zu ihm (Joh 14,2ff) gab, sie auch schon während seines irdischen Lebens darauf hingewiesen, daß er selbst der Herr in dem kommenden offenbaren Gottesreich sein werde (Mt 16,27). In der großen endzeitlichen Rede (Mt 24; Mk 13), aber auch an verschiedenen anderen Stellen in seiner Verkündigung, hat der Herr von seiner Wiederkunft gesprochen. Aus seinen Aussagen ergibt sich folgendes Bild:
Er wird in Herrlichkeit und Majestät wiederkommen (Mt 24,30; 25,31; 26,64), und zwar auf den Wolken (Mt 24,30; 26,64; vgl. Dan 7,13) und von Engeln begleitet (Mt 16,27; 24,31; 25,31). Seine Wiederkunft wird begleitet sein von Bewegungen und Erscheinungen am Himmel, z.B. der Verfinsterung von Sonne, Mond und Sternen (Mt 24,29f.; Mk 13,24f., vgl. Joel 2,10; 3,3f., 4,15) und Erschütterungen der Erde und des Meeres (Lk 21,25f.). Dabei wird am Himmel das Zeichen des Menschensohnes erscheinen (Mt 24,30) und auf Erden Schreckensgeheul der Menschen zu hören sein.

Voraufgehen wird der Wiederkunft eine Zeit immer größerer Bedrängnis, Täuschung und gar Verführung der Glaubenden bis hin zum Zerbruch aller menschlichen und familiären Bande (vgl. Mt 24; Mk 13). Christus wird dann das ihm übertragene Gericht halten, dem sich alle Menschen zu stellen haben und in dem streng nach ihren Werken geurteilt wird (Mt 16,27; 25,31ff.).

Das Johannesevangelium und die Offenbarung machen aber deutlich, daß dies die Glaubenden nicht mehr trifft (vgl. Joh 5,24). Vielmehr ist für seine Gemeinde die Wiederkunft mit der Verheißung verbunden, daß sie mit ihrem Herrn vereinigt sein wird (vgl. Mk 13,17; Joh 14,3). Über den Zeitpunkt seiner Wiederkunft hat Jesus keine Mitteilung gemacht. Er kommt unvermutet wie ein Dieb (Mt 24, 42f.), ja einem Blitz gleich (V. 27) wird er die Menschen überraschen, so daß ihnen dann keine Zeit zu weiterer Besinnung bleibt. Deshalb ermahnt der Herr seine Jünger in direkter Rede und in Gleichnissen beständig zur Wachsamkeit (z.B. Mt 24,42; 25,1-13 u.a.).

III. Das Zeugnis des übrigen Neuen Testaments

Gleich die erste Verheißung, die die Jünger nach der Himmelfahrt des Herrn empfangen, weist sie auf die Wiederkunft hin: Dieser Jesus wird wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen (Apg 1,11). So bezeugen sie es denn auch in ihren Predigten (vgl. Apg 3,20f.; 17,31) und in ihren Briefen. Gerade hier wird die Ankündigung des Herrn von seinem kommenden Tag, dem Tag seiner Wiederkunft, vielfach aufgenommen (vgl. z.B. 1.Kor 1,8; 4,5; 11,26; 15,23; 16,22; 1.Thess 2,19; 3,13; 4,13-5,11; 2.Thess 2,1; 2.Petr 3,12; Jak 5,7). Die Gemeinde Jesu lebt auf diesen Tag hin (vgl. 1.Kor 11,26 in den Abendmahlsworten), sie wartet auf die Ankunft ihres Herrn (Phil 3,20f.; Tit 2,13). Sie erhofft diesen Tag als das Ende all ihrer Anfechtungen. Leiden und Versuchungen (2.Thess 1,7-10), an dem ihr großer Widersacher vernichtet wird (2.Thess 2,8) und alle Menschen, auch ihre Feinde, Christus als den Herrn erkennen werden (Phil 2,10f.), und an dem er den Seinen Lohn (2.Thess 1,7) und Lob (1.Kor 4,5) erteilen wird. Sie verbindet damit die Hoffnung auf den neuen Himmel und die neue Erde nach Vergehen der alten (2.Petr 3,12f.).

Die sachlichen Aussagen wiederholen und ergänzen die Worte des Herrn selbst. Er wird mit den Wolken kommen (1.Thess 4,17; 2.Thess 1,7) mit allen Heiligen (1.Thess 3,13; 2.Thess 1,10); und sein Kommen wird durch die Stimme des Erzengels (1.Thess 4,16; vgl. Dan 10,21) und die Posaune Gottes (1.Kor 15,52; 1.Thess 4,16; vgl. Ps 47,6; Joel 2,1; Sach 9,14) angekündigt. Seine Wiederkunft wird zugleich der Tag der Auferstehung für die in Christus Entschlafenen sein (1.Kor 15,23; 1.Thess 4,16), aber er ist auch der Tag der großen Rechenschaft und des Gerichtes, an dem er das Verborgene des Herzens ans Licht bringen (1.Kor 4,5) und eines jeden Werk offenbar machen wird (1.Kor 3,13; 2.Kor 5,10).

Wie zu erwarten, spielt in den Briefen das Problem der Naherwartung eine beträchtliche Rolle, veranlaßt durch die Ungewißheit über den Zeitpunkt der Wiederkunft (vgl. 1.Thess 5,1-6; 2.Thess 2,1-9; 2.Petr.3,8-14). Es drückt sich darin die Spannung aus, die zwischen einem möglichen Bald auf der einen Seite und der Notwendigkeit, mit einer längeren Zeitspanne zu rechnen, auf der anderen Seite besteht. Zur Hilfe verweist 2. Petr 3,8 auf die Aussage von Ps 90,4: 1000 Jahre sind wie ein Tag vor Gott. Einerseits wird das Bild von der Plötzlichkeit des Diebes aufgenommen (1.Thess 5,2.4; 2.Petr 3,10) und durch das Bild vom plötzlichen Ausbrechen der Wehen (1.Thess 5,3) ergänzt, wird auf den Anbruch der letzten Tage (2.Petr 3,3f.) und des Endes der Weltzeiten (1.Kor 10,11; 1.Petr 4,7), der letzten Stunde (1.Joh 2,18) hingewiesen, wird festgestellt, daß der Tag des Heils nahe herbeigekommen sei (Röm 13,11), der Herr nahe (Phil 4,5), der Richter vor der Tür sei (Jak 5,9) und der Herr seine Verheißung nicht hinauszögere (Hebr 10,37).

Endlich ist hier auch an das Zeugnis der Offenbarung zu erinnern, in der die Ereignisse, die mit der Wiederkunft verbunden sind und ihr vorangehen, in wuchtigen, sich immer weiter entfaltenden Bildern visionär geschaut und dargestellt sind. Das Thema ist schon in Offb 1,7 angeschlagen: „Siehe, er kommt mit den Wolken“ und klingt in den Sendschreiben durch (Offb 2,16.25f.; 3,11.20). Ehe das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheint, ergeht durch das verkündigte Wort und durch göttliche Plagen vielfache Aufforderung an die Menschen, zu Gottes Wegen umzukehren. Schrecken des Gerichts erschüttern die Erde (Offb 8,5 - 9,21; 16), aber die Zeit zur Umkehr ist begrenzt (Offb 10,6), die letzte Posaune kündigt die Wiederkunft an (V. 7). Es erklingt im himmlischen Chor die Botschaft vom Sieg des Lammes (Offb 11,15; 12,10f.; 17,14), und aus dem geöffneten Himmel (Offb 19,11ff.) zieht der Herr zum letzten großen Sieg aus, um inmitten seiner Gemeinde, die wie eine Braut für ihren Mann geschmückt ist (Offb 21,2), auf der Erde zu sein (vgl. Offb 20,4).