Werke

„Werke“ – Wirken, Sich-Regen, Aktivsein – braucht es dazu einen Grundsatzartikel? Ist „Wirken“ bei gesunden Lebewesen nicht natürlich, selbstverständlich? Leben ist Wirken. – Andererseits hat bereits I. Kant betont, eine der Elementarfragen, die ein Mensch sich stellen müsse, laute: „Was soll ich tun?“ Die sog. ethische Frage nach dem rechten und unrechten Tun, dem guten und bösen Wirken ist also keineswegs selbstverständlich. Sehen wir näher zu!

1. Wortbedeutung

„Werk“ geht auf eine alte indogermanische Wurzel zurück. Die griechische Vokabel „ergon“(= Werk) ist eng verwandt: WERK = ERG. Die Rachenlaute K und G werden ausgetauscht, das anlautende W fehlt (vgl. auch englisch „work“). Die Urbedeutung meint wohl „flechten“, etwas zu einer schützenden Wand zusammenfügen. Auch Fäden können „gewirkt“ werden. Joh 19,23: Jesu Obergewand ist „ungenäht, von obenan gewirkt (gewebt) durch und durch“. – Das „Werk“ kann eine einzelne Leistung, eine „Tat“ meinen, aber auch die Summe, die Gesamtbilanz (das „opus“) eines Lebens.

2. Der „wirk-liche“ Gott

2.1. Der biblische Gottesnahme Jahwe ist nach 2.Mose 3,14 hergeleitet von dem Verb „Hajah“, das zugleich „wirken“ und „sein“ bedeutet. Hier stehen wir vor dem Geheimnis des biblischen Gottes. Der „Gott der Philosophen“ (etwa der des Aristoteles) „wirkt“ nicht: Er lebt in der reinen Betrachtung seiner selbst. Würde er etwa – die Welt schaffend oder regierend oder nur von ihr wissend – über sich hinausgreifen, dann geriete er in den Bereich der Zeit (= Vergänglichkeit), in die Sphäre des Werdens und Vergehens. Dann würde er dem „Zahn der Zeit“ verfallen und damit seine Unsterblichkeit, seine Göttlichkeit verlieren. Der Gott der Bibel ist dagegen der Gott des „hajah“, der Gott am Werk. Er ist „wirk-lich“, d.h. er „ist“, indem er „wirkt“. Deshalb redet man von dem Gott der Bibel (und die Bibel tut das ja auch weitgehend“) am passendsten, indem man von ihm erzählt, berichtet, was er da und dort zu jener Zeit getan hat, wie er „konkret“ wurde, mit Raum und Zeit zusammenwuchs.

2.2. Gottes Urwerk ist die Schöpfung des Weltalls „aus dem Nichts“, d.h. Gott fängt nicht bei einem vorgegebenen Grundstoff an, sondern einzig bei sich selbst – bei seiner freien Liebe. Er spricht, und es geschieht (Ps 33,9). Diese Schöpfung ist beredt auf ihren Schöpfer hin: „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und die Feste verkündet seiner Hände Werk“ (Ps 19,2). So wissen – nach Paulus (Röm 1,19-21) – auch die Heiden von der „Wirklichkeit“ Gottes, sind auf ihn ansprechbar, sind „unentschuldbar“.

2.3. Das Feld des göttlichen Wirkens ist ebenso die ganze Geschichte: die Weltgeschichte in jedem Detail (der König Kyros etwa: Jes 45,1) wie die Heilsgeschichte. Gottes Werk ist die Befreiung aus Ägypten, die Hereinführung ins Land, der Bundesschluss am Sinai, sein rettendes wie sein richtendes Handeln. Es gehört zu dem „lebendigen Gott“ (Ps 42,3; 84,3; Hebr 10,31), dass er auch die Biographie jedes einzelnen Menschen „schreibt“, er ist der wahre Autor eines jeden Lebens (Hamann).

2.4. Gottes Gesamtwerk bündelt sich in Jesus. Das betont besonders das Johannesevangelium: Der Vater hat dem Sohn seine Werke gegeben (5,36): Diese Werke (als „Zeichen“) zeugen von Jesus, d.h. sie nehmen geradezu juristisch in Pflicht zu Glaube und Anerkennung (10,25.38). Der Sohn muss wirken die Werke dessen, der ihn gesandt hat (9,4). Das eigentliche Werk aber ist der Glaube (6,29), die Öffnung der Augen für die „Wirklichkeit“ des Vaters im Sohn. – Ebenso ist die Gemeinde Gottes Werk, die Mission, die Diakonie. Und er wird das gute Werk, das er in den seinen angefangen hat, vollenden bis zur Wiederkunft Jesu Christi (Phil 1,6), bis zu dem ganz großen Sabbat im neuen Himmel und der neuen Erde.

3. Das wirkende Ebenbild

3.1. Wie Gott selbst „wirklich“ ist, so stellt er auch sein Ebenbild ans Werk. „Ebenbild“ (zäläm“) meint ursprünglich eine Plastik, wie sie ein Großkönig als Abbild seiner selbst in den Provinzen seines Riesenreichs aufstellen ließ, damit auch die Untertanen in der Ferne eine Ahnung von der Herrlichkeit des Herrschers bekämen. So will Gott durch sein „Ebenbild“, den Menschen, der außermenschlichen Kreatur einen Eindruck seiner Art und Güte vermitteln (Hund und Kuh, Bach und Strauch sollen es merken!) – wahrlich ein gewaltiger „Kulturauftrag“ (1.Mose 2,15: „bebauen, bewahren“). Wie Gott die Menschen – nach Jes 28,23-29 – die elementaren Künste der Landwirtschaft lehrte, so stammen auch die großen Erfindungn des Menschen (1.Mose 4,20-22) aus seiner Weisheit.

3.2. Arbeit (das „Wirken“) ist also zunächst ein Segenswort, die freudvolle, fruchtbare Weltgestaltung unter Gottes Hand. Den Einschlag des Fluchs bekommt das Wirken erst durch die Trennung von Gott, den „Fall“: Nun schließt sich der Boden (die „adama“) vor dem Adam zu, produziert Dornen und Disteln, und an das „Seid fruchtbar und mehret euch!“ (1.Mose 1,28) wird der Geburtsschmerz, die Lebensbedrohung gekoppelt (1.Mose 3,16). Nun herrscht überall das Gesetz der Ambivalenz (überall sind Gewinn und Verlust verknotet, vgl. die Atomkraft) und der Frustration, des Scheiterns neben dem Erfolg. Gleichwohl bleibt Gott „am Werk“, geht mit: die alltägliche Berufsarbeit bleibt unter Gottes Ja (5.Mose 2,7a; 14,29). Auch im NT wird „der Hände Arbeit“ wertgeschätzt (1.Thess 4,11; 2.Thess 3,10-12; Eph 4,28). Vom „Werk“, der Arbeit des Menschen kann man also nur mehrschichtig reden: Ist der Mensch a) Geschöpf, b) Rebell, c) Versöhnter, d) Vollendeter, so „changiert“ auch der Charakter seines Werks: Es ist a) erfüllender Auftrag, b) frustrierende Mühe, c) vergebend umhegtes Tun, d) „Frucht“ für die Ewigkeit. So heißt es von den „Toten, die im Herrn sterben“: „ihre Werke folgen ihnen nach“ (Offb 14,13): Sie gehen also nicht voran, das Himmelstor zu öffnen, aber sie dürfen mit hinein in Gottes „ewige Scheunen“ (vgl. 1.Kor 3,12-14).

4. Vom Gesetz

4.1. Gott lässt den von ihm getrennten (= verlorenen) Menschen nicht los. Er erwählt aus den Völkern in Abraham das eine Volk (zum Segen für alle!). Er befreit es aus dem KZ Ägyptenland. Er schließt mit ihm seinen Bund, ein „Groß-Werk“ des lebendigen Gottes. Das hebräische „berit“ meint nicht einen Vertrag zweier gleichberechtigter Partner auf gleicher Ebene, sondern die souveräne Setzung eines ganz Großen für ganz Kleine: Der Große baut das Haus, die Kleinen dürfen gratis einziehen. Die Hausordnung Gottes ist mit der Torah („Weisung“, nicht eigentlich Gesetz!) gegeben, die sich in dem Dekalog, den Zehn Geboten, bündelt. Einiges ist hervorzuheben:

  1. Als Präambel steht die Grundzusage, das Urheilswort: „Ich bin der HERR, dein Gott“ (für Luther das ganze Evangelium), bin es, weil ich dich rettete, befreite.
  2. Diese Lebens- und Heilsgemeinschaft wird nicht durch die Gebote (ihre Befolgung) geschaffen, sondern liegt ihnen als Basis zugrunde.
  3. Die Gebote (zu beachten ist besonders der negative Charakter: „Du sollst nicht“) führen also nicht zum Heil, sind niemals „Heilsweg“ (ein häufiges Missverständnis), sondern wollen im Heil bewahren. Gott hat sein Volk auf das Hochplateau der Freiheit, des Lebens mit ihm gestellt. Die Gebote bilden Leitplanken, die vor dem Absturz ins Bodenlose schützen wollen (Tenor: Bleib bei mir!). – Eben dieser tödliche Absturz – diese Sünde (= Absonderung vom Lebensraum) – erfolgt nun dennoch. (1.Mose 3 wiederholt sich auf neuer Ebene.)

4.2. Diese Sünde – das abgrundtief böse „Werk“ des Menschen – äußert sich in drei Formen:

  1. als Übertretung: Das Gebot wird als Zaun betrachtet, den es zu überschreiten gilt, um die angeblich wahre Freiheit, die Autonomie, zu erlangen. Modell eines Übertreters: der Betrüger Zachäus.
  2. als selbstherrliche Erfüllung: Der Zaun wird – senkrecht gestellt – als Leiter benutzt, um in eigener Leistung vor Gott groß und schön zu werden. Modell: Saul von Tarsus, der nach der „Gesetzesgerechtigkeit“ Untadelige (Phil 3,6).
  3. als Verzweiflung am Gebot und Hass auf seinen Geber: Die Gebote erscheinen als vereiste Steilwand, an der man nichts als üble Abstürze erlebt. Modell: der Mönch Luther. Stünde kann also sehr unterschiedliche – hässliche und strahlende – Variationen haben, ist aber in jedem Fall Rebellion gegen Gott, Raub an seiner Ehre.

4.3. Paulus spricht mehrfach von den „Werken des Gesetzes“ (so Röm 3,20.28; Gal 2,16; 3,10) und von der „eigenen Gerechtigkeit“ (Röm 10,3). Damit meint er das (seine eigene Jugend prägende) Missverständnis, der Mensch könne sich mit Hilfe des Gesetzes (der Gebotsvorschriften) das Heil erarbeiten, sich den Weg zu Gott bahnen, um dabei vor Gott groß herauszukommen, Gott durch Verdienste zu verpflichten, ihn sozusagen zum Schuldner des Menschen zu machen. Dieser „eigenen“, selbstfabrizierten Gerechtigkeit tritt die nur als Geschenk zu habende „Gerechtigkeit Gottes“ (Röm 3,21) entgegen. Luther sprach später von dem falschen Weg der „Werkerei“. „Gesetzesmenschen“ wollen ihr Wesen, ihren Rang, ihr Dasein aus dem Gesetzt selbst gewinnen, ihm das Heil abnötigen, abtrotzen. Ihr Gegenteil ist der aus dem Geschenk lebende Glaubende.

4.4. Warum kann der Weg der „Gesetzeswerke“, der „Werkerei“ nicht gelingen?

  1. Wir erinnern uns: Das Gesetzt ist prinzipiell kein Heilsweg: ein Weg, um ins Heil zu kommen, sondern ein Weg, sich im vorweg geschenkten Heil zu bewegen.
  2. Der Mensch in der Sünde ist (so lautet die biblische und reformatorische Vokabel) „Fleisch“ (z.B. Röm 7,18; 8,1), d.h. in allen drei oben besprochenen Variationen Rebell gegen Gott. Stößt nun Gottes heiliges Gesetz (Röm 7,12) auf dies „Fleisch“, dann ergibt sich ein Vorgang, wie wenn kaltes Wasser mit ungelöschtem Kalk in Kontakt kommt (Bild von Luther): Ein Zischen und Kochen mit gewaltiger Hitzewirkung entsteht. In der Konfrontation mit dem heiligen Gesetzt Gottes „kocht heraus“, was im Menschen (im „Fleisch“) zuinnerst wohnt: Sünde als Aufstand gegen Gott (hebräisch „päscha“).
  3. Das Gesetz Gottes selbst erleidet durch die Sünde, an der Sünde eine schlimme „Mutation“. Es ist von Gott her „zum Leben“ (= zur Erhaltung im Leben, Röm 7,10) gegeben. Nun wird es Todesmacht, „entartet“ zum Henker: Es hat die Sünde verboten, jetzt enthüllt es sie und spricht das Urteil der Hinrichtung aus. In einem anderen Bild (Gal 3,22ff): Das Gesetz führt in eine scharfe Gefangenschaft, in ein Verlies, aus dem jeder Ausbruch von innen unmöglich ist. Hilfe kann nur von außen („ohne Zutun des Gesetzes“, Röm 3,21) kommen, nämlich durch den Sühnetod Jesu (Röm 3,24f) und das Darin-festgemacht-, das Davon-ergriffen-Werden, den Glauben (nach Joh 6,29 Jesu eigentliches „Werk“).

5. (Exkurs) Paulus und Jakobus zum Thema „Werke“

Luther hat scharfe Worte gegen den Jakobusbrief gerichtet („stroherne Epistel“). Er meinte, Jakobus habe die Rechtfertigung „allein aus Gnade“, „allein aus Glauben“ völlig missverstanden, sage zum Teil das Gegenteil von Paulus. Man vergleiche etwas Jak 2,24 („durch Werke gerecht, nicht durch den Glauben allein“) mit Röm 3,28! Dreierlei halten wir fest:

5.1. Paulus redet negativ von „des Gesetzes Werken“ (dem eigenmächtigen Erlösungsversuch des Menschen). Diese Kategorie ist dem Jakobus völlig fremd. Er spricht von „Werken“ und meint damit das praktische Christenleben (besonders Kap. 2, auch 3,13). Diese „Werke“ entspringen als notwendige Lebensäußerung bei denen, die Gott „gezeugt“ bzw. „geboren hat durch das Wort der Wahrheit“ (1,18).

5.2. Paulus und Jakobus haben in ihrer Sprache und Begriffsbildung unterschiedliche Kategorien: Für Paulus ist „Glaube“ stets die volle heilshafte Christusgemeinschaft; dieser Glaube ist mit innerer Notwendigkeit „in der Liebe tätig“ (Gal 5,6). Wer glaubt, ist „in Christus“, ist „neue Kreatur“. – Diesem ganzheitlichen Verständnis gegenüber kann Jakobus „Glauben“ reduzieren auf das Fürwahrhalten des Ein-Gott-Glaubens (Monotheismus). Von daher kann er sagen: „Die Teufel glauben’s auch und zittern“ (2,19; in der Sprache des Paulus wären „glaubende“ Teufel bekehrte Teufel!). Ist nun Glaube bei Jakobus zunächst eine intellektuelle Haltung, so müssen „die Werke“ (als Bewährung im Alltag) hinzutreten, was dann (3,24) wie eine Addition klingt, während bei Paulus der Glaube die Liebe und ein neues Leben einschließt.

5.3. Jakobus wehrt sich gegen einen missverstandenen Paulus, gegen die „billige Gnade“ (Bonhoeffer), die Paulus nicht weniger bekämpft (Röm 6,1ff). In der Zielrichtung, der eigentlichen Intention, laufen beide Zeugen aufeinander zu. Die Absicht des Satzes „der Glaube ohne Werke ist tot an ihm selber“ (Jak 2,17) hätte Paulus voll geteilt.

6. Glaubensgehorsam („gute Werke“)

6.1. Zunächst eine wesentliche Unterscheidung: In der Welt der Religionen geht der Weg vom Tun zum Sein, von den Werken (Leistungen) zum Heil. Hier gibt es „gesetzliche“ Heilswege (Askese, Rausch, Erkenntnis, Opfer, so C.H. Ratschow). Das Wirken des Menschen ist also heilschaffend, heilskonstitutiv. Das Heil folgt aus dem Tun! Der Christenglaube hat genau das umgekehrte Gefälle: Das Heil ist gnadenhafte Vorgabe („sola gratia“), daraus folgt dann – konsekutiv – das neue Leben (Heidelberger Katechismus: Teil III, der die Gebote behandelt, hat den Titel „Von der Dankbarkeit“). Von den theologischen Fächern aus gesagt gilt also von den Religionen: Aus der Ethik folgt die Dogmatik, vom Christentum: Von der Dogmatik zur Ethik.

6.2. Das Handeln, das „Werk, ist also im Christenglauben von hohem Rang, aber als geistgewirkte Folge der Errettung. Christen leben neu, weil sie im Heil sind, nicht damit sie dorthin gelangen (vgl. oben die Stellung der Zehn Gebote). An zwei charakteristischen Texten wollen wir uns das exemplarisch verdeutlichen:
Gal 5,16-26: Dort wird das „neue Leben“ (Röm 6,4), das Leben des „neuen Menschen“ (Eph 4,24) als Leben „im Geist“ (V. 25) bezeichnet: eine Existenz in der Schöpferkraft der neuen, österlichen Welt. Dieser Geist bringt eine vielgestaltige Frucht (Singular: Ganzheit, Einheit) hervo. Sie jwächst „organisch“ aus der neuen Existenz heraus: „Liebe, Freude, Friede...“ (V. 22f) – nicht automatisch, aber neuschöpferisch. Dem wird konfrontiert ein ganzer „Lasterkatalog“ der „Werke des Fleisches“ (Plural: chaotische Vielheit). Sie sind „offenkundig“, d.h. täglich in der Bild-Zeitung oder in Illustrierten nachzulesen. Geist oder Fleisch ist die Alternative: Österliche Christuswirklichkeit, „neue Kreatur“ (2.Kor 5,17) oder Existenz im Alten, längst Überholten, dem Untergang Verfallenen. Spricht das NT positiv von „Werken“, auch „guten Werken“ (z.B. Kol 1,10; 2.Tim 3,17; Tit 2,14), so ist stets diese „Frucht des Geistes“ gemeint, das dem Heil (konsekutiv) Folgende. – Präzis formuliert Eph 2,8-10. Ich gebe den Text mit umschreibenden Zusätzen wieder: „Aus Gnade seid ihr selig geworden“ (diese freie Zuwendung Gottes ist der einzig tragende Grund unserer Rettung) „...durch den Glauben“ (der Glaube ist stets zuerst Gottes Tat in uns: das Durchschlagen des Heilswerks in unseren Herzen, sodann unsere geistgewirkte Antwort, das Sich-Festmachen in der Verheißung Gottes) „...und das nicht aus euch“ (der „alte Mensch“ ist ganz „draußen vor der Tür“). „Gottes Gabe ist es; nicht aus Werken“ (das gilt von der „Werkerei“, den „Gesetzeswerken“ des „alten Adam“, aber auch vom Wirken der neuen Kreatur!“), „...damit sich nicht jemand rühme“ (der „Eigenruhm“ – Modell „Leiter“ bei Saul von Tarsus – ist verbannt). „Denn wir sind sein Werk“ (vgl. 1.Kor 15,10: „Aus Gnaden bin ich, was ich bin) „...geschaffen zu guten Werken“ (diese neuen Werke der Dankbarkeit werden hier geradezu als Zielbestimmung unserer Existenz genannt: Gott wird durch sie groß gemacht, Mt 5,16), „...die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen“ (Gott hat also die guten Werke schon im Voraus „fertig gestellt“: Wir brauchen sie nur „abzuholen“, ihnen auf Erden Raum zu geben). – „Nicht aus Werken“, aber „zu Werken“ – das ist eine griffige, behältliche Formel“!

7. Rechtfertigung und „Gericht nach den Werken“

7.1. Aus dem neuen Verhältnis zu Gott, der Rechtfertigung („ich bin vor Gott richtig“), wächst ein neues Verhalten: die Heiligung, die Prägung von Tun und Lassen vom heiligen Gott und seinem Geist her. (Karl Barth hat zu Rechtfertigung und Heiligung als dritten Faktor mit Recht „die Berufung“ hinzugestellt, den Reich-Gottes-Auftrag; A. Schlatter hat seine ganze Ethik von der „Berufung“ her angesetzt). – Nach Luthers Tod hat es den (gewiss törichten) „majoristischen Streit“ gegeben. Die eine Gruppe behauptete: „Gute Werke sind notwendig zur Seligkeit“ (G. Maior; der Ton lag auf der Heiligung). Die Gegner tönten: „Gute Werke sind schädlich zur Seligkeit“ (N. Amsdorff; der Akzent lag auf der Rechtfertigung). Hilfreich sind zwei spannungsvolle Sätze Luthers, die dem Sinn nach lauten: 1. „Glaube, wenn er nicht ganz ohne Werke ist, rechtfertigt nicht“: Der Glaube schaut nicht auf sein Tun, sondern ausschließlich auf Christus; die „guten Werke“, die der Heilige Geist schafft, hat er stets im Rücken, nie vor Augen! 2. „Der Glaube kann nie ohne beständige, große und lebendige Werke sein“ – wie der gute Baum „selbstverständlich“ gute Früchte hervorbringt. Aber: Nicht die Früchte machen den Baum gut (Rechtfertigung!), doch der gute Baum macht gute Früchte (Heiligung). Nicht die guten Werke sind schädlich, sondern das Vertrauen auf sie. Und „notwendig“ sind sie, aber nicht im Sinne eines Zwangs, einer Forderung von außen, sondern als innere Lebenswirklichkeit (Weinstock – Reben!).

7.2. Das NT spricht unbefangen vom „Gericht nach den Werken“ (z.B. 2.Kor 5,10), wie es unbefangen vom „Lohn“ spricht (z.B. Luk 6,23; 1.Kor 3,8). Passt das zur Rechtfertigung „allein aus Gnaden“, „allein im Glauben“? Das Jüngste Gericht bringt eine letzte Entscheidung (verloren – gerettet); diese fällt nicht an der moralischen Frage, sondern an der Jesusfrage, am „Allein aus Glauben“. Das letzte Gericht bringt aber auch eine letzte Bewertung, erteilt Lohn und Strafe – nämlich bei Gottes Kindern und Mitarbeitern. Hier geht es nicht um Seligkeit oder Verdammnis (wichtig: 1.Kor 3,15), sondern um die Frage nach der „Christushaltigkeit“ unseres Tuns. Jesus hat uns als Mitarbeiter engagiert (das ist unser Adel!). Nun nimmt er unser Tun und Lassen auch ganz ernst. Ist bei unserem Leben etwas für ihn herausgekommen? War alles – bei hoher Aktivität vielleicht – nur „leeres Stroh“, „dummes Zeug“? Strafe ist hier die schmerzliche Beschämung, die Trauer über vertane Gelegenheiten. Lohn ist die staunende Freude, dass ER – trotz meines Widerstrebens und Versagens – etwas Ewigkeitsbeständiges in unserem Leben zustande brachte: Gott belohnt also bei unseren „guten Werken“, was er selbst wirkte! Was die letzte Entscheidung angeht, gilt die Fanfare: „Nur selig“!. Was die letzte Bewertung betrifft, heißt die demütige Bitte: Ja nicht nur selig“ (vgl. 1.Kor 3,5-15)!

Siegfried Kettling