Schrift

Hebr 1,1-2; 2Tim 3,14-17; Mt 5,17-19

Das Wunder: Gott redet

Wir sind keine Buchreligion (was ja manche behaupten), sondern Hörer und Täter des lebendigen Wortes. Aber wir haben Gottes Wort immer nur in Menschenwort – konkret im Zeugnis der Bibel. Wir sagen: Sie ist Wort Gottes. Sie gibt uns Zeugnis von dem, was Gott tut und wie er in vielfältiger Weise zu Menschen und durch Menschen gesprochen hat. In aller Verschiedenartigkeit der biblischen Bücher gibt es eine Einheitlichkeit: Das Zeugnis, dass Gott aus seiner Verborgenheit herausgetreten ist und sich uns Menschen offenbart. Doch inwiefern ist die Bibel Gottes Wort? Sie ist ja nicht vom Himmel gefallen, sondern über Hunderte von Jahren entstanden, von Menschen aufgeschrieben und aus alten Quellen in unsere Sprache vielfältig übersetzt.

Drei Selbstaussagen der Bibel wollen wir näher betrachten.

Hebr 1,1-2: „Gott redet“

Hier ist nicht ausdrücklich von der Bibel die Rede, sondern vom Reden Gottes. Insofern geht es natürlich um die Bibel – sie ist der schriftliche Bericht von diesem Reden Gottes.

  • Das ist das Besondere: Gott hat geredet! Er bleibt nicht stumm. Er bleibt nicht bei sich.
  • Aber er teilt sich nicht allen direkt mit. Er hat zunächst durch alttestamentliche Zeugen gesprochen. Menschen wurden von ihm berufen, um in ganz konkreten geschichtlichen Situationen sein Wort zu sagen.
  • Zuletzt hat er durch seinen Sohn mit uns geredet. Das Wort wurde Fleisch – sichtbar, hörbar und berührbar. In Christus wird Gottes Wort erst richtig eindeutig. Das heißt: Christen lesen die Bibel, auch das Alte Testament, immer von dieser Mitte her. Der Schlüssel zum Verständnis der Bibel lautet letztlich: „WWJS“ – was würde Jesus sagen?
  • Er redet nicht gleichförmig, sondern vielfach und auf vielfältige Weise. So muss beim Lesen genau beachtet werden, auf welche Weise uns Gott etwas sagen möchte.

2Tim 3,14-17: „Gottes Wort wirkt“

Zwei Themen werden angesprochen:

  • Um Gottes zu hören, muss ich sein Wort kennen. Bibellesen hat mit Bildung zu tun – man kann auch sagen mit Erziehung. Wir leben zunächst davon, dass uns das Wort Gottes in seiner Vielfalt erzählt wird – von Klein auf. Es ist wie eine Gabe, die uns anvertraut wird und Früchte trägt. An ihr gilt es dran zu bleiben. Ohne biblische Bildung im umfassenden Sinn wächst kein Glaube, und finden wir nicht zum Heil.
  • Gottes Wort treibt Früchte. Denn es ist kein leeres, kraftloses Wort, sondern von ihm „inspiriert“. Es ist im wahren Sinn des Wortes geistvoll. Natürlich wurde es nicht Wort für Wort diktiert – aber Johannes oder Paulus wurde der Wille Gottes durch seinen Geist deutlich gemacht. Das geben sie mit ihren Worten, mit ihren Sprachmitteln und in ihrer Lebenswelt weiter.
    Wer die Bibel richtig liest, muss mit Auswirkungen rechnen. Gottes Wort wirkt. Es lehrt uns – beantwortet also unsere existenziellen Fragen. Es vermittelt Kenntnis über Gott und seinen Willen. Es weist zurecht; sprich: es deckt Schuld auf und ist wie ein Spiegel, in dem wir uns erkennen. Das führt zu einem Leben, das der Beziehung zu Gott entspricht. Denn es erzieht zur Gerechtigkeit.
    Hier nimmt Timotheus den Mund richtig voll: Bibellesen führt uns auf den Weg der Vollkommenheit und wirkt in uns gute Werke (vgl. Joh 15, 5).

Mt 5,17-19: „Gottes Wort ist beständig“

Klar: Auch zu Zeit Jesu wurde das Wort Gottes sehr unterschiedlich gehört und ausgelegt. Das sieht man schon allein daran, wie die einen nach eingehender Prüfung der alttestamentlichen Verheißungen in ihm den Gotteslästerer und andere das menschgewordene Wort Gottes erkennen. Der Umgang Jesu mit dem Wort Gottes macht es den Menschen auch nicht einfach – er kommentiert manch ein Gebot Mose anders, als es die übliche Lehrmeinung war: „Zu den Alten ist gesagt, ich aber sage euch …“. Das macht ihn nicht nur verdächtig („Wer darf denn so über Gottes Wort reden?“). Es stellt sich auch die Frage, was denn dann eigentlich gilt – was ist Gottes Wort? Jesus muss es deutlich sagen: „Ich verändere die Weisungen Gottes nicht; ich erfülle sie.“ Man kann auch sagen: Er führt sie auf den ursprünglichen Sinn zurück.

Hans Veit, Pfarrer, Knittlingen