Ruhe

Wir leben in einer Welt der Unruhe. Noch nie gab es bei uns so viel (arbeits-)freie Zeit wie heute. Die vermehrte freie Zeit führt aber nicht automatisch zu mehr Ruhe und Stille. Im Gegenteil: Oft führt sie zu vermehrter Unruhe ("Freizeit-Stress"!). Auch unsre persönliche Welt und unser Herz sind oft voller Unruhe.
"Du hast uns auf dich hin geschaffen, o Herr,
und unser Herz ist ruhelos,
bis es Ruhe findet in dir."
(Augustinus)
Um äußere und innere Ruhe müssen wir kämpfen; sie entsteht kaum noch von selbst. Ruhe ist - ähnlich wie Stille - zwar kein sehr häufiges Wort in der Bibel; trotzdem lohnt sich die Beschäftigung. Wir fragen zuerst: Was bedeutet "Ruhe, ruhen" in der Bibel? und wollen dann überlegen, wie wir mit diesem Grundwort eine Gemeinschaftsstunde gestalten können.

A. Geistliche Grundlegung
Ruhen - An-Gebot Gottes für uns Menschen
Alles menschliche Ruhen hat seinen Ursprung im 7. Schöpfungstag: "Gott ruhte von allen seinen Werken" (1.Mo 2,2). Während Gott nach seinem Tun ruht, ist für den Menschen - nach seiner Erschaffung am 6. Tag - der Ruhetag Gottes der 1. Tag. Der Mensch darf vor seinem Tun ruhen.
Der Sonntag ist also nicht das "Wochenende", sondern der Anfang einer neuen Woche, das Tor zur neuen Woche. Wir ruhen nicht, weil wir alles getan haben, weil wir "fertig" sind, sondern: Gott gönnte sich einen Ruhetag und bietet uns Menschen an, daran teilzunehmen.

- Zum Weiterdenken:
Sonntag:
= Geschenk Gottes an uns
= Tor zur Woche, nicht Wochenende!
Was bedeutet dies praktisch für uns?

Ruhen - Gebot Gottes für uns Menschen
Das Sabbatgebot ist das am ausführlichsten formulierte Gebot (2.Mo 20,8-11) und kommt in den Mosebüchern häufiger vor als jedes andere Gebot. Der Sabbat ist - im Rückblick auf die Schöpfung - der Ruhetag nach 6(!) Arbeitstagen. Zugleich ist er Gedenktag an die Befreiung des Volkes aus der Knechtschaft in Ägypten. Dieser Tag soll frei von (beruflicher) Arbeit sein und ist von Gott gesegnet und geheiligt. Entheiligung zieht die Todesstrafe nach sich.

"Das Sabbatgebot ist ein leuchtendes Zeichen dafür, dass die Grundgebote, die Israel gegeben wurden, lauter Wohltaten sind. Sie sind nicht eigentlich Forderungen, sondern befreien von Forderungen. Als Gebote sind sie Angebote." (Hans Walter Wolff)

- Zum Weiterdenken
Was bedeuten die folgenden Ge- und Verbote zur Sabbatgestaltung für uns heute?
2.Mo 31,12-17; 34,21; Neh 10,32; 13,15; Jes 56,2; 58,13+14.
Sonntag:
= Rückblick auf unsere "Werke" führt zum Danken!
= Aufblick zu Gott, der uns trägt und erhält, führt zum Loben!
= Ausblick auf unseren Auftrag und unsere Aufgaben führt zum Bitten.

Ruhen - Ziel der Wege Gottes
Schöpfungs- und Sabbatruhe sind auf einen bestimmten Tag bezogen. Ruhen war aber auch Ziel Gottes mit seinem Volk Israel: 5.Mo 3,20; 12,9f; Jos 21,44; 2.Sam 7,11 (David); 1.Kö 8,56 (Salomo); Jes 14,3-7; im negativen Sinn: Ps 95,10+11. Der Hebräerbrief nimmt in Kap. 4,1-11 dies als Vor-Bild für die zukünftige Ruhe des neutestamentlichen Gottesvolks. Unser (Aus-)Ruhen hier und heute dürfen wir deshalb auch verstehen als Vorgeschmack der kommenden, vollständigen Ruhe, die Gott am Ende der Zeit für uns vorbereitet hat.
® Lies Offb 14,13!

"Nur das Gottesvolk, das Gott zu sich berufen, hat Zutritt zu dieser köstlichen Gabe der geheiligten Gottesruhe, welche das Ziel der ganzen Schöpfung war. Hier erschließt Gott die vollste Gemeinschaft, indem er Menschen teilgibt an jenem seit der Schöpfung verborgenen Gut der Ruhe. Eine Ahnung dessen, dass die Ruhe in Gott das selige Ziel der Geschichte Gottes mit den Seinen ist, dämmert hier auf." (Walther Zimmerling)

Ruhen - Vorgeschmack auf das, was uns erwartet!

"Der Glaube an Jesus ist das Tor zur Ruhe Gottes." .(Walther Zimmerling)

Wir leben von dem Werk Jesu, nicht von unsrem eigenen Tun. Das gilt für unser Heil (unsre Rechtfertigung) ebenso wie für das tägliche Brot (Lk 12,29). Unsre Werke können uns weder retten noch unser Leben erhalten.
Ist das der Grund, warum Jesus so großartig zur Ruhe, zum Ausruhen für Leib und Seele einlädt?
® Lies Mk 6,31 und Mt 11,28-+29 (auch schon in Jer 6,16!)

® Zum Weiterdenken:
· "Ruhe für eure Seelen" - wie zeigt sich das? Lies Ps 131,2; Jes 28,12; 30,15 ("Ihr wollt nicht!!").

Keine Ruhe hat,
- wer voller Kummer und Sorgen ist: Pred 2,23; Lk 10,41
- wem Gott nicht antwortet: Ps 22,2+3
- wer bedrängt ist von Sünde und Schuld: Ps 38,4-9; Hab 2,4
- wer ohne Gott lebt: Jes 21,4; 23,12; 48,22
- wer "das Tier" anbetet: Offb 14,11

® Zum Weiterdenken:
· Kann ich aufgrund dieser Punkte "innere Unruhezustände" abbauen?

Ruhen - erst im Grab?
- Ruhen = gestorben sein: Hiob 3,17; Jes 57,2; Dan 12,13; Offb 6,11
- Rektor Christian Dietrich (geb. 1844, Vorstand des Altpiet. Gemeinschaftsverbandes von 1897-1919), war unermüdlich im Reich Gottes tätig. Er sagte einmal, er könne nicht begreifen, wie man bei all dem Weltelend ein bequemes Leben führen könne. Er wolle den Rest seines Lebens soviel wie möglich ausnützen zum Dienst für seine Mitmenschen. "Ja, ich gedenke mein Leben vollends teuer zu verkaufen bis zum letzten Hauch." Sein Wunsch, mitten aus der Arbeit im Reich Gottes heimgehen zu dürfen, wurde ihm erfüllt. "Ruhen kann ich noch genug im Grabe", sagte er einmal, als man ihn mahnte, mehr auszuruhen. "Ja, da will ich dann recht ausruhen." (G. Schmid, Von Kraft zu Kraft, Rektor Dietrichs Lebensgang und Lebenswerk. Stuttgart 1919, S. 161).

® Zum Weiterdenken:
· Welche Gedanken und Gefühle lösen solche Worte bei uns heute aus?
· Grober "Weisheitsspruch" aus der Zeit, als man noch Kühe vor den Wagen spannte: "Es gibt zwei Arten von Kühen, den einen muss man auf den Kopf schlagen, den andern auf den Hintern".
Zu welchen gehöre ich?
· Habe ich für mich einen Weg gefunden zwischen einem "bequemen" und einem "rast- und ruhelosen Leben"?

B. Impulse für die Gemeinschaftsstunde
Biblische Texte für die Gemeinschaftsstunde:
a) Die dem Volk Israel versprochene Ruhe als Modell für die Ruhe des neutestamentlichen Gottesvolkes: Hebr 4,1-11
b) Der heilsgeschichtliche Bogen von der Schöpfungsruhe Gottes über die Sabbatruhe des Menschen bis zur zukünftigen Gottesruhe: 1.Mo 2,2; 2.Mo 31,15-17; Jes 63,14; Hebr 4,9+10
c) Jesus schenkt Ruhe für Leib und Seele: Mk 6,31; Mt 11,28+29 (vgl. Jer 6,16)
d) Offb 4,8: Göttliche Unruhe bei der Anbetung Gottes
Offb 14,11: Satanische Unruhe bei der Anbetung des Tieres
Offb 14,13: Göttliche Ruhe der gläubig Gestorbenen

Ruhezeiten
Wer erzählt in der Gemeinschaftsstunde von eigenen Erfahrungen mit Auszeiten, Sabbatzeiten, "Oasen- oder Wüstentagen", Stillen Tagen?

Ruhestand
Was für ein großartiges Geschenk bietet in unsrer Gesellschaft die soziale Errungenschaft des Ruhestands! Was verdanken wir doch unsren Ruheständlern!
Rechtzeitig bitten wir (Vor-)Ruheständler um einen kurzen Beitrag:
- Wie bereite(te) ich mich auf den Ruhestand vor?
- Welche positiven/negativen Erfahrungen habe ich beim Übergang in bzw. im Ruhestand bisher gemacht?
Zur persönlichen Beschäftigung mit dem Thema "Ruhestand" empfehle ich die Biographie von Kurt Scherer, Vor dir liegt neues Land, besonders Seite 127ff., Verlag der Johannis-Druckerei, Lahr, 1998

Martin Kuhn, Reutlingen