Himmel

Auch wenn wir Deutschen es uns nicht gerne eingestehen: Die deutsche Sprache ist manchmal recht schwerfällig, Dinge zu beschreiben. An dem Wort „Himmel“ lässt sich dies gut aufzeigen.

„Ich hänge zwischen Himmel und Erde!“, sagen wir und meinen einen Zustand, der nicht räumlich gemeint ist, sondern wir wollen damit zum Ausdruck bringen: „Es ist nicht ganz klar, wie es weitergeht.“
„Sie kommt in den Himmel!“, sagen Menschen und meinen damit nicht, dass die betreffende Person zur NASA gehöre und einen Flug vor sich habe, sondern dass sie/er als Christ die Hoffnung haben darf, weil die in Christus Verstorbenen im Himmel, d.h. bei Jesus Christus sein dürfen.
„Die Columbia explodierte am Himmel“, stand in den Zeitungen, und die Redakteure wollten damit nicht sagen, dass die Astronauten nun den Raum betreten, der dem dreieinigen Gott allein und denen, die Jesus zu sich heimholt, zugänglich ist. Die Redakteure wollten den Ort beschreiben, der sichtbar für alle zur Katastrophe geworden war.

Der Englisch sprechende Mensch hat es hier leichter: Was wir als „Himmel“ bezeichnen, kann dort „sky“ (gesprochen skai; das Sichtbare, oft Blaue über uns) oder „heaven“ (gesprochen häwen; der unsichtbare, göttliche Bereich) sein. Wäre diese Unterscheidung dem russischen Raumfahrer Gagarin bewusst gewesen, hätte er nicht der Weltöffentlichkeit erklärt, er habe auf seinem Flug durch das Weltall keine Spur von Gott gesehen: Er hätte begriffen, dass außerhalb unserer Atmosphäre, die wir auch als „Himmel“ bezeichnen, nicht der Wohnort Gottes ist.

Was meint die Bibel, wenn sie vom Himmel spricht? Himmel ist zuerst einmal der Raum, der nicht Erde und nicht Meer ist. Himmel ist das, was sich über unseren Aufenthaltsort wölbt, mal in strahlendem Blau, mal tiefschwarz, mal wunderbar rot bis orange und manchmal auch grau in grau. Wenn Menschen im alten Orient sich die Welt als Scheibe vorstellten, über die sich das „Himmelsgewölbe“ spannt, dann können wir manchen Bibelstellen dieses Weltbild abspüren. Dies verurteilen zu wollen, wäre unklug, haben doch auch wir „moderne Menschen“ Ausdrücke, die unserem modernen Weltbild scheinbar widersprechen. „Die Sonne geht am Himmel auf“, sagen wir, obwohl jedes Kind weiß, dass die Sonne ihren Platz nicht „am Himmel“ hat und auch nicht „aufgeht“, sondern die Erde sich so dreht, dass die Sonne sichtbar wird.
Was aber ist der Himmel - biblisch gesehen - noch?

1. Der Himmel ist Gottes Schöpfung

Anders als in vielen Religionen gehört in der Bibel der Himmel ganz klar in den Bereich der Schöpfung (Ps 8,4). Weder ist der Himmel noch sind die Dinge, die ihm zugehörig sind (Sonne, Mond und Sterne), anzubeten bzw. absolut zu setzen (5.Mose 4,19). Damit wehrt die Bibel auch jenen Vorstellungen, das Volk Gottes und in ihm auch jeder einzelne Gläubige sei den bestimmten Konstellationen von Gestirnen unterworfen. Gott betont: Er habe sich seinem Volk Israel durch sein Wort geoffenbart, den Heiden dagegen die Gestirne gegeben (5.Mose 4,18ff).
So steht das Paar „Himmel und Erde“ geradezu beispielhaft für den Ausdruck Schöpfung („Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen“, Matth 24,35). Dies betont die Bibel besonders an der Stelle, an der sie von dem neuen Himmel und der neuen Erde spricht, auf die wir warten (Jes 66,9).

2. Der Himmel ist Gottes Herrschaftsbereich

Sehr oft meint die Bibel mit „Himmel“ den Herrschaftsbereich Gottes. Hier sind die Engel daheim. So wird schon auf den ersten Seiten der Bibel der Platz der Engel im Himmel beschrieben. Immer wieder sprechen die Engel bzw. der Engel des Herrn „vom Himmel“ (1.Mose 21,17; 22,11.15). Sie steigen an der Himmelsleiter auf und ab (1.Mose 28,15, vgl. auch mit Joh 1,51). Die Engel, die die Geburt Jesu auf dem Felde den Hirten ankündigten, kehrten zurück in den Himmel (Lk 2,15). Und sogar ein Engel, der vom Himmel predigt, darf den Galatern kein anderes Evangelium bringen (Gal 1,8).
Im Himmel begegnet uns auch der Thronrat Gottes. Besonders in der Offenbarung können wir erfahren, dass Gott Begleiter um sich geschart hat, die ihn anbeten (z.B. 19,4).

3. Der Himmel als Austragungsort des Kampfes zwischen Erzengel Michael und dem Drachen

Gott ist absoluter Herrscher in seinem Reich. Und doch erfahren wir zwei merkwürdige Hinweise, dass Gott im Himmel Widerspruch, ja sogar Kampf zulässt.
So erscheint der Satan vor dem Thron Gottes im Zusammenhang mit Hiobs Prüfungen (Hiob 1,6ff) und kämpft mit Gott die Frage aus: „Warum glaubt ein Mensch an Gott?“ Er, der Satan, wirft Gott vor, Hiob glaube nur, weil es ihm gut gehe. Dieser „Wohlfühl-Glaube“ greift Gottes Ehre an.
Genauso kämpfen nach Offb 12,7 auch Michael, der Erzengel, und der Drachen im Himmel um die Macht (nicht nur Vormacht!).

4. Der Himmel ist Gottes Wohnung

Wenn die Bibel vom Himmel als dem Herrschaftsbereich Gottes spricht, dann sieht sie den „Himmel“ als Aufenthaltsort Gottes. Im Himmel steht Gottes Thron (Offb 4,1f). Im Himmel regiert er. So finden wir im Freiberger Dom westlich von Dresden über dem Südportal eine Statue mit Jesus auf dem Thron. Er hat die Erde wie einen kleinen Apfel in seiner Hand. Ein Bild der Geborgenheit. Im Himmel erklingt das Lob Gottes (Offb 4,8). Im Himmel wird Gottes Herrlichkeit sichtbar – ja, Jesus wird dort gesehen „stehend zur Rechten Gottes“ (Stephanus in Apg 7,56; normalerweise sitzend, hier stehend, weil Jesus Christus den Märtyrer empfängt).
Vom Himmel aus greift Gott in diese Welt ein. Genauso wie Gottes Barmherzigkeit ihren Ausgangspunkt im Himmel nimmt (Neh 9,27), so wird auch Gottes Zorn „vom Himmel“ offenbar (Röm 1,18). Gott fährt vom Himmel hernieder und betrachtet den Aufbau des Turms von Babel (1.Mose 11,5). Jesus geht als der Auferstandene zum Vater, indem er gen Himmel fuhr (Apg 1,10), und bei der Einweihung des Tempels in Jerusalem durch Salomo kann Gottes Wohnstätte als eine im Himmel beschrieben werden (1.Kön 8,23ff). Gleichzeitig aber ist den Menschen bewusst, dass „alle Himmel Himmel“ Gott nicht fassen können (V. 27).

5. „Im Himmel sein“ heißt, bei Gott zu sein

Wenn Gottes Wohnung der Himmel ist, dann ist der Himmel auch der Ort, an dem der Mensch bei Gott sein kann. Deswegen haben wir bis in unsere Tage hinein den Ausdruck: „Er oder sie ist im Himmel“. Der tiefere Sinn dieser Redeweise ist: Der im Frieden mit Jesus Verstorbene wird von Jesus heimgeholt und darf bei ihm und bei Gott sein, in seiner Gegenwart leben.
Der Mensch, der im Glauben an Jesus Christus, im Vertrauen auf seine Vergebung und im Bewusstsein gestorben ist, dass der einzige Weg zum Vater über Jesus Christus geht und er deshalb Jesus Christus braucht, dieser Mensch darf bei Gott also im Himmel sein. So schwingt im Ausdruck Himmel gleichzeitig die feste Überzeugung mit, unsere Zukunft liegt nicht im Dunkeln, sondern ist durch die Auferstehung der Toten erhellt.
Der Ausdruck „kommt in den Himmel“ ist in der Bibel nicht belegbar. Die Sache sehr wohl. Im hohepriesterlichen Gebet bittet Jesus Christus seinen Vater, dass die Menschen, die Gott ihm gegeben hat, dort sein dürfen, wo er, Jesus Christus, auch ist (Joh 17,24). Im selben Kapitel (V. 13) spricht Jesus Christus davon, dass er nun zu Gott dem Vater kommen werde. Also bittet Jesus darum, dass seine Nachfolger bei ihm „im Himmel“, d.h. bei Gott sein dürfen.
So kann dann die Offenbarung (19,1) von der großen Schar sprechen, die Gott anbetet. Paulus schreibt im Philipperbrief (3,20) von unserem „Bürgerrecht im Himmel“, und Jesus kann auf den Lohn im Himmel verweisen (Matth 5,12).

6. Der Himmel ist der zukünftige Ort des „Schalom“

Dort wo Gott ist, herrscht Frieden (hebr. Schalom). Dies wird nur unterbrochen vom „Durcheinanderbringer“, dem Satan. Der wahre Frieden Gottes ist mehr als nur das Schweigen von Waffen. In der Gegenwart Gottes herrscht Frieden im Sinne von Gleichklang, Harmonie. Diese Harmonie ist nicht abhängig von menschlichen Ideen, Eindrücken oder Befindlichkeiten. Dieser Friede hängt an Gottes Gegenwart. Wo Gott ist, hat Unfrieden keinen Platz. Bei Gott kann nur bestehen, wer sich Gott selbst unterordnet. Frieden ist uns deshalb in der ganzen Fülle für die Ewigkeit, für den Himmel verheißen (Kol 1,20).

Hier auf dieser Erde kann Friede - auch zwischen Menschen – erst dort entstehen, wo Menschen sich auf Gott hin ausrichten lassen. Und doch ist es möglich, dass auch Christen nicht im Frieden miteinander oder mit Nichtchristen leben. Die politischen und militärischen Erlebnisse der vergangenen Wochen zeigen, wie Menschen – auch bewusste Christen – in Situationen einen Krieg als das kleinere Übel ansehen oder meinen ansehen zu müssen. Es ist (leider auch) möglich, dass es in Gemeinden oder Gemeinschaften Streit gibt. Oft sind es einzelne Menschen, die unversöhnlich einander gegenüberstehen. Es ist aber kein Einzelfall, dass im Gegenüber zu Gott Menschen sich zum Frieden hin ausrichten lassen. Wo dies geschieht, beginnt das Himmelreich in diese Zeit und Welt hineinzuwirken.
Es ist eine Irrglaube, zu meinen, wo (irdischer) Friede sei, da sei auch Gott. Gott bindet sich nicht an irdischen Frieden, sondern an den Glauben seiner Nachfolger. So kann Jesus sogar vom Schwert sprechen, das er in die Familien hineinbringt (Matth 10,34ff).

7. Der Himmel ist eine Umschreibung für Gott

Weil der Jude den Namen Gottes nicht vergeblich führen durfte und wollte, vermied er Gottes Namen völlig (JHWH Luthers HERR- die hebräische Schrift kannte keine Vokale a-e-i-o-u). Man sprach von „der Name“, oder „mein Herr“ (daher Luthers „HERR“) oder auch von „Himmel“. Wenn Jesus den Sohn in Lk 15,21 zum Vater sagen lässt: „Ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir...“, meint er Gott selbst, vor dem der Sohn gesündigt hat.

8. Der Himmel ist kein frommer Traum

Heinrich Heine meint, den Himmel solle man den Spatzen überlassen. Der Himmel war für ihn nur ein frommer Traum, eine Vertröstung.
Wir Christen glauben, dass jeder sich vor Gott verantworten muss! Wir vertrösten nicht auf den Himmel (vgl. Ps 139,23).

Auch wenn wir Gottes Welt nicht sehen können, so ist sie doch da – nicht weniger als unsere sichtbare Welt. Einer hat sie durchschritten, kam auf diese Erde und ging wieder aus dieser Welt: Jesus Christus. Ihm und an ihn glauben wir. Ihm vertrauen wir, dass wir bei ihm in seinem Reich sein dürfen („Heute wirst du mit mir im Paradiese sein“, Lk 23,43).
Dieser Glaube wehrt alle Versuche ab, die Welt nur auf das Sichtbare, Irdische zu beschränken. Nicht dass wir alles erst in der Ewigkeit, im Himmel erwarten. Es gibt im Heute und Jetzt genügend zum Anpacken und Erreichen. Auch eine Fülle von Freude mit Jesu Vergebung und Gottes Liebe. Über dies hinaus ahnen und glauben wir an das Leben im Himmel, bei Gott ist seiner herrlichen Ewigkeit.

Deshalb wollen wir nicht so leben, als gebe es nur dieses Leben, sondern wollen so leben, dass für unsere Mitmenschen erlebbar wird: Christen leben auf die Ewigkeit hin!

Gottfried Holland, Freudenstadt