Gemeinschaft

  • Gemeinschaft – das ist nicht nur der Titel unserer Zeitschrift.
  • Gemeinschaft – das ist nicht nur bewusst unser „Firmenschild“ als Gemeinschaftsverband.
  • Gemeinschaft – wird nicht erstlich gebildet durch einen Raum (Gemeinschaftshaus) oder Zeit (Gemeinschaftsstunde) oder Personen (Gemeinschaftsleute). Dem Wesen nach ist Gemeinschaft keine Sache, sondern eine gelebte Beziehung.
  • Gemeinschaft – das ist ein biblisches Hauptwort.

Bei der von Christus geprägten Gemeinschaft geht es nicht um eine menschlichen Gemeinschaften vergleichbare (Chorgemeinschaft, Interessengemeinschaft, Fahrgemeinschaft..) – es geht um eine persönliche Beziehung mit Christus und um ein Leben in Christus, das sich freilich auf mitmenschlicher Ebene auswirkt. Das muss immer wieder neu begriffen, gelebt und gestaltet werden.
Deshalb haben wir in unserem Jubiläumsmonat (genauer: in der Jubiläumswoche!) für unsere Gemeinschaftsstunden bewusst dieses biblische Grundwort ausgewählt. Es soll an zwei Sonntagen entfaltet werden, wobei jeweils verschiedene biblische Texte zugrunde liegen:

  • am 25. März: Epheser 4,1-16; 1.Thessalonicher 5,11-24.
  • am 1. April: Kolosser 3,1-17.

Nachfolgende Ausführungen sollen verschiedene Aspekte dieses biblischen Grundwortes beleuchten. Wir beten darum, dass von der Besprechung dieses Grundwortes neue geistliche Impulse in unsere Gemeinschaften, Gruppen und Familien hineinkommen – ein echter Segen fürs Jubiläumsjahr!
Folgende Bibelstellen können zusätzlich mitbedacht werden: Apg 2,37-47; Röm 1,8-15; 1.Kor 1,9; 1.Joh 1,1-7; Joh Kap. 14-17.

I. Zum Begriff Gemeinschaft

Im Griechischen gibt es zwei Worte, die hier Bedeutung haben:

  1. echo (haben), metecho (teilhaben). Der Schwerpunkt liegt hier auf der Teilhabe an einem Gut (z.B. Kinder, Brüder, eine Frau haben oder an einem Besitz). Im Blick auf die Gottesbeziehung drückt es sich auf Teilhabe an der Gottesgemeinschaft aus. Diese wird durch Christus von Gott geschenkt – ich darf daran teilhaben. Besonders Johannes, Paulus und der Hebräerbrief heben das hervor. Wir haben als Christen in dieser Zeit schon teil am Frieden mit Gott (Röm 5,1), an der Erlösung durch sein Blut (Eph 4,7) oder Zugang zum gnädigen Ratschluss Gottes (Eph 3,12).
    Besonders deutlich wird dieses Teilhaben an Christus in dem Wort „syn“ = mit: mit Christus leben, mit Christus leiden, mit gekreuzigt werden, mit sterben, mit auferstehen, mit lebendig gemacht werden, mit regieren. Es ist also innerste Teilhabe an den wesentlichsten göttlichen Gaben.
  2. koinonia (Gemeinschaft). Gemeinschaft ist Anteil haben und Anteil geben – also sich gegenseitig im Tiefsten etwas mitteilen. Es ist also keine Veranstaltung, die auf einem Terminplan steht, sondern hat wesentlich damit zu tun, dass wir das Leben teilen. Es wird eine enge, beidseitige Verbundenheit damit beschrieben (eine enge geschäftliche Beziehung ebenso wie eine Ehe). Dieses Teilen des Lebens bezieht sich sowohl auf die materielle Seite (vgl. 2.Kor 8+9, aber vor allem auch auf ein gegenseitiges Anteilnehmen am Innersten. Im Blick auf eine christliche Glaubensgemeinschaft sind es die geistlichen Werte (vgl. Apg 2,42), im Blick auf Christus: Er lebt in mir, und ich bin völlig sein eigen (Röm 14,7.8; Gal 2,20).
    Beide Bedeutungen werden im Neuen Testament gebraucht, um das Geheimnis der Gemeinschaft zu verdeutlichen.

II. Der Mensch – auf Gemeinschaft hin angelegt

  1. Der biblische Schöpfungsbericht macht es klar: Der Mensch ist schöpfungsmäßig von Anfang an auf eine Beziehung hin geschaffen. Er ist so „konstruiert“, dass die Beziehung zum „DU“ sein Lebenselement ist, wie beim Fisch das Wasser. Der erste Satz der Bibel über den Menschen drückt es eindrücklich und treffend aus: „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau“ (1.Mose 1,27).
  2. Dieses Bibelwort ist grundlegend. Es macht deutlich: Wir sind in eine doppelte Beziehung hinein geschaffen:
  • Zunächst ist es die Beziehung A zu Gott hin – zu seinem Schöpfer und Erhalter.
    Hierin besteht der eigentliche Unterschied zwischen dem Menschen und dem Tier – ja zu aller geschaffenen Kreatur. Der Mensch ist allein Bild Gottes – sein Gegenüber! Gott tritt zu ihm in Beziehung durch sein Wort. Der Mensch erhält erfülltes Leben, das weit mehr ist als ein Vegetieren, allein dadurch, dass Gott sein Gegenüber ist und er ihm seinen Odem gibt (2,7).
  • Die Beziehung B zum Mitmenschen
    Zugleich ist er wesensmäßig auf „DU“ als Mitmensch geschaffen (V. 27b und 2,15): „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Hilfe schaffen, wie sie ihm entspricht.“ Gott schafft das Gegenüber, indem er Adam (= der „Mensch“) Eva (= Leben) an die Seite stellt. Das Gegenüber des Mitmenschen bedeutet für den Menschen Leben! Es ist genau die Hilfe, die der Mensch benötigt und ihm entspricht.
  •  Der Mensch ist also auf Ergänzung angelegt – von Anfang an!
    Der Mensch ist jeweils nur Teilausgabe des Lebens (2,23.24). Das Ganze hat nur Gott. Der Schöpfer macht es uns allen deutlich am Beispiel eines neugeborenen Kindes: Es wird nicht überleben ohne die Hilfe der menschlichen Gemeinschaft. „Allein geht man ein.“ Genauso ist es auch im geistlichen Leben (vgl. Punkt IV).
    Erfülltes Leben gibt es also nur, wenn die Beziehungen in Ordnung sind – beide Beziehungen. Sonst lebt der Mensch im Defizit, mit dem Hunger und Durst nach Leben. Erfülltes Leben ist nie in materiellen oder ideellen Werten zu finden – nie bei einer Sache! (vgl. GL 322).
  • Diese von Gott geschaffene Gemeinschaft war im Garten Eden geprägt vom erfüllten Leben (1.Mose 1,28ff), von Frieden und Harmonie. Sie war sehr gut (V. 31).
    - Mit Gott: Der Mensch hatte teil an der Ruhe und am Frieden mit Gott (2,2.3).
    - Mit dem Mitmenschen: Sie konnten sich in unbeschwerter Harmonie begegnen (2,25).

III. Gemeinschaft – durch die Sünde zerstört

  1. Die Bibel schildert direkt im Anschluss an die als „sehr gut“ erlebte Gemeinschaft mit Gott und dem Mitmenschen, wie beide Beziehungsebenen zerbrechen und damit das Leben im Zerbruch liegt. Das zeigt uns diese grundlegende Geschichte vom Sündenfall (1.Mose 3) auf.
  2. Zuerst zerbricht die Gemeinschaft mit Gott durch die Schuld des Menschen (3,1-6). Der ureigenste Reichtum des menschlichen Lebens – die Harmonie mit Gott – wird durch den Ungehorsam des Menschen zerstört. Die Harmonie ist zerbrochen: Der Mensch läuft Gott davon; er versteckt sich; der innere Friede zerbricht – Angst stellt sich ein (V. 8-10).
  3. Auch die Gemeinschaft zum Mitmenschen wird dadurch zerstört: V. 7. Der Mensch muss sich vom anderen Menschen absetzen und sich vor ihm schützen. Die Feigenblätter bilden die erste Trennwand – es ist der erste „Mauerbau“ der Geschichte. Es findet seine Fortsetzung damit, dass man den anderen vorwurfsvoll sieht (V. 13), bis hin zum Groll und Mord (4,5-8). Alle mitmenschlichen Beziehungen sind davon betroffen. Das Verhältnis der Mutter zum neugeborenen Kind, das von tiefster Freude geprägt sein sollte, wird nunmehr von Mühsal (V. 16) geprägt. Auch die Beziehung der Eheleute untereinander (V. 16b): Was eigentlich die tiefste Freude menschlicher Beziehung sein soll: die ganzheitliche Gemeinschaft von Mann und Frau, wird geprägt von Schmerz und von den Folgen der Sünde. Vorher musste die Verletzlichkeit des Mitmenschen nicht geschützt werden, weil sie nicht missbraucht wurde. Jetzt ist alles anders!
  4. Die zerbrochene Gemeinschaft mit Gott bringt alle Probleme mit sich, unter denen wir heute im persönlichen Leben leiden – und auch weltweit. 1.Mose 3 macht es deutlich: Ängste, Vorwürfe, Feindschaft, Mühsal, Schmerzen, Sehnsüchte, Stress bei der Berufsarbeit, Fluch, Dornen und Disteln, Schweiß, Gottesferne – und der Tod. Die zerstörte Beziehung zum Mitmenschen führt zu Mord und Totschlag (1.Mose 4). Es steigert sich dahin, dass nach der Trennung mit Gott (3,23.24) auch die Trennung untereinander folgt (1.Mose 11,1-9), weil man sich nicht mehr versteht und auch ein Bruch in der Völkerwelt eintritt. Die tiefste Ursache liegt darin, dass der Mensch nicht mehr unter Gott sein möchte, sondern wie Gott (3,5; 11,4).
  5. Zerstörte Gemeinschaft – sie ist Ursache aller Nöte und Probleme. Bis heute: Wo ein Kind in einer zerrütteten menschlichen Gemeinschaft aufwachsen muss (Ehe, Familie), bekommt es seelische Defizite und Persönlichkeitsstörungen.

IV. Die neue Gemeinschaft mit Gott durch Christus

  1. Jeder Mensch spürt sein Defizit. Alle Religionen und Ideologien versuchen nun dem Menschen unter Aufbietung aller seiner eigenen Kräfte zu helfen, dieses Defizit auszufüllen und wieder „heil“ zu werden. Doch freilich: „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen“ (Goethe) – dieser Satz ist schlicht falsch, weil er den Menschen in die Irre führt: nur zu sich selbst und damit wieder zur Sünde und zum Defizit. Gott geht von Anfang an den umgekehrten Weg. Er läuft dem schuldig gewordenen Menschen hinterher: „Adam – wo bist du?“ (3,9). Seine Liebe bricht ihm das Herz – er will doch den Menschen bei sich haben, in seiner Gemeinschaft.
  2. Die Bibel schildert uns nun, wie nach der Katastrophe der Urgeschichte (1.Mose 3-11) Gott einen genialen Rettungsplan beginnt: die Heilsgeschichte mit Abraham (ab 1.Mose 12). Das führt konsequent hin zu dem, der der Schlange den Kopf zerbricht (3,15): „Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt“ (Jes 53,3-6). Gott kommt uns in Christus entgegen und sucht neue Gemeinschaft mit uns – und schafft sie! (Joh 1,14; Mt 16,16; 2.Kor 4,1ff; 5,20f) „Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber.“ Die frohe Botschaft gilt: Neue Gemeinschaft ist möglich durch das Versöhnungswerk von Christus.
  3. Diese neue Gemeinschaft lebt allein von Christus her (Eph 4,15; 1.Thess 5,11.24). Jesus verbindet sich mit mir – indem er für mich stirbt und lebt und nun in mir lebt. Er verbindet sich ganz fest mit mir – deshalb gebraucht die Bibel auch das Bild der Ehe (Hos 2,21.22; Eph 5,31.32). Diese neue Gemeinschaft mit Gott bedeutet: „So lebe nun nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20).
  4. Die neue Gemeinschaft kommt konkret in unser Leben durch den Heiligen Geist (Odem Gottes!). Sie wird ständig neu belebt und zum Blühen gebracht durch
    Gottes Wort (Röm 10,14; Kol 3,16). Gottes Wort schafft Leben – auch neues Leben – auch die neue Gemeinschaft
    Gebet (1.Thess 5,17.18; Eph 6,18; Kol 4,2). Wie jede Beziehung das Gespräch benötigt – sonst stirbt eine Beziehung –, so benötigt die Gemeinschaft mit Gott das Gebet.
    Glauben (Vertrauen). Dieses Vertrauen ist das Zeichen meiner innigen Ausrichtung auf Christus hin.
  5. Christus lebte diese Gemeinschaft mit seinem Vater – liebevoll, eindrücklich und vollkommen. Das kommt besonders zum Ausdruck in den Kapiteln Johannes 14-17. An diesem Vorbild gilt es zu lernen – gerade für uns Erwachsene.
    „Das Gottesgeschenk des erfüllten, wahren Lebens, das uns durch Jesus Christus vermittelt wird, ist nur in der persönlichen Verbindung mit Jesus Christus zu haben“ (Immanuel Grözinger, AGV-Vorsitzender 1964-1973, siehe Seite ?).

V. Die neue Gemeinschaft untereinander

  1. Die versöhnte Beziehung zu Gott ist Grundlage einer neuen Beziehung zum Mitmenschen, weil der Mensch friedensfähig wird. Die Kraft des Heiligen Geistes ist eine gemeinschaftsstiftende, heilende Kraft (vgl. Pfingsten/Apg 2). Sie führt zusammen und schafft eine neue Verbundenheit untereinander – der einzelnen Glieder sowie im ganzen Leib Christi (1.Kor 12; Eph 4,15.16). „Nehmet einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob“ (Röm 15,7). „Ohne Christus ist Unfriede zwischen Gott und den Menschen und zwischen Mensch und Mensch“ (Dietrich Bonhoeffer). Christus schenkt die Kraft und den Geist für die neue Gemeinschaft. Seine Versöhnung ist das Vor-Bild für jedes Versöhnen untereinander. „Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr“ (Kol 3,13; Eph 4,32). Durch den Sündenfall sind die mitmenschlichen Beziehungen derart gravierend gestört (und oft zerstört), dass es allein diese versöhnende, erneuernde Kraft vermag, auch hier Neues zu schaffen.
  2. In dieser Gemeinschaft bleibe ich bis ans Ende meines Lebens auf Vergebung angewiesen, denn es ist eine Gemeinschaft der Sünder (1.Thess 4,14). „Jede Gemeinschaft hat ihre Reibungsflächen, denn wir sind nicht fehlerlos. Aber wir leben ganz bewusst von der Vergebung und Barmherzigkeit Gottes, die uns befähigt, auch einander zu vergeben“ (Schwesterngemeinschaft Hensoltshöhe). Die neue Gemeinschaft untereinander ist kein Ideal – im Gegenteil: Wer hier ein Ideal sucht, trägt zur Störung bei. „Wer mehr haben will als das, was Christus zwischen uns gestiftet hat, der will nicht die christliche Bruderschaft, der sucht irgendwelche außerordentliche Gemeinschaftserlebnisse, die ihm anderswo versagt bleiben, der trägt in die Bruderschaft unklare und unreine Wünsche hinein ... Wer seinen Traum von einer christlichen Gemeinschaft mehr liebt als die christliche Gemeinschaft selbst, der wird zum Zerstörer jeder christlichen Gemeinschaft, und ob er es persönlich noch so ehrlich, noch so ernsthaft und hingebend meint“ (Bonhoeffer). Gerade hier liegt eine große Gefahr und Problematik heute – weil der Mensch vielfach aufgrund tiefer Enttäuschungen und tiefster Sehnsucht nach echter Gemeinschaft die christliche Gemeinde als ein solches Ideal erleben möchte. Hier sind nicht nur junge Menschen aufs Tiefste gefährdet. (Deshalb scheitern auch so viele Ehen, weil auch hier ein hohes Ideal gesucht wird, das nie zu verwirklichen ist.)
  3. Der durch Christus erneuerte Mensch braucht die Gemeinschaft untereinander, genauso wie ein neugeborenes Kind menschliche Gemeinschaft benötigt. Deshalb befiehlt Jesus, beieinander zu bleiben (Apg 1). Deshalb bleibt auch die erste Gemeinde in dieser Gemeinschaft (Apg 2,42). In eine solche Gemeinschaft legt Gott einen Segen hinein, den man ohne sie nicht erleben würde. Wenn jeder Apostel am Pfingstsonntag allein zu Hause geblieben wäre – selbst in der Stille vor Gott –, hätte sich Pfingsten nicht ereignet. In solcher Gemeinschaft gibt es Glaubensstärkungen wie sonst nicht: „Der Christus im Bruder ist stärker als der Christus im eigenen Herzen“ (Bonhoeffer).
  4. Diese Gemeinschaft ist Not-wendig für das geistliche Leben. Deshalb
  • braucht sie Verbindlichkeit und Beständigkeit (Apg 2,42). Sie kann nicht nur von „geistlichen Leckerbissen“ leben. Mein geistlicher Vater Hermann Brillinger sagte: „Der Heiland teilt nicht immer königlich aus; wer aber immer dabei ist, der ist auch dann dabei, wenn er königlich austeilt.“
  • Sie braucht Identität: Man steht zueinander und redet gut übereinander, vor allem auch vor Dritten und vor der Welt.
  • Ist intensive Anteilnahme in doppelter Hinsicht: äußerlich (in Nöten und Problemen) und innerlich (durch Fürbitte, gemeinsames Gebet...).
  • braucht sie das Gespräch: zwischen den Generationen, den Verantwortlichen ... Gerade hierin liegt ja auch eine Chance der kleinen Kreise.
  • Ist nicht auf Gefühle aufgebaut. Vgl. Verklärung Jesu. Gefühle sind wankend und können von heute auf morgen zerbrechen – da sie ebenfalls zur „Fleischlichkeit“ des Menschen gehören. Ein Problem unserer Tage ist die ständige Suche nach einer Gemeinschaft, die den Gefühlen Harmonie gibt – wie töricht!

5. Eine solche christliche Gemeinschaft hat einen hohen Stellenwert, weil sie eine echte Wirkung und Ausstrahlung nach außen gibt. Sie ist in ihrem Innersten eine missionarische Kraft, um Gott zu verherrlichen (2.Kor 5,15).

VI. Gelebte Gemeinschaft heute

  1. „In der Gemeinschaft zeigt sich am deutlichsten, was an Kraft des Glaubens, an Kraft der Liebe und Kraft der Hoffnung vorhanden oder nicht vorhanden ist. Hier ist das Exerzierfeld und zugleich ein Kampffeld der Jüngerschaft“ (Immanuel Grözinger). Die Konkretionen des Exerzierfeldes zeigt uns die Schrift vielfach auf – beispielhaft in Eph 4,1-16; 1.Thess 5,11-24; Kol 3,1-17! Man wird die Vielfalt bei weitem nicht in einer Gemeinschaftsstunde ausschöpfen können.
  2. Die tragenden Kräfte sind in Gal 5,22 aufgelistet – als Frucht des Geistes! Das zentrale Wort: Liebe. Das wird „an allen Ecken und Enden“ deutlich. Zur Liebe gehört aber die Wahrheit, denn „Liebe ohne Wahrheit ver? , Wahrheit ohne Liebe macht hart.“ Deshalb heißt es in Eph 4,15: „Lasset uns wahrhaftig sein in der Liebe.“ Liebe kaschiert die Sünde nicht, sondern spricht sie mit einem gewinnenden und heilenden Ton an. „Habt Salz bei euch und habt Frieden untereinander“ (Mk 9,50).
  3. Die Einheit und Einigkeit in der kirchlichen Gemeinschaft bedeutet nicht Gleichmacherei oder gleiche Meinung in jeder Sachfrage oder den Zwang, dass alle dasselbe tun. Und die heutige Ideologie der „Gleichheit“ fehlt hier völlig: Es gab in der Gemeinde Arme und Reiche; Besitzende und Sklaven. Es gab unterschiedliche Aufgaben und unterschiedliche Vorgehensweisen. „Eines Sinnes“ sein bedeutet nicht einer Meinung sein, sondern einen gemeinsamen Herrn haben, von einem gemeinsamen Geist geleitet werden und ein gemeinsames Ziel haben: Menschen gewinnen für Jesus und Gott zu ehren und zu loben (Eph 4,16). Es ist geradezu so, dass der Leib Christi von der Unterschiedlichkeit her lebt und dadurch seine Weite, Vielfalt und Wirksamkeit hat (1.Kor 12!).
  4. Die Liebe zeigt sich an zwei Punkten in besonderer Weise konkret:
  • durch Gebet: gemeinsam und fürbittend (Kol 4,3; 1.Tim 2,1ff u.a.). Wie oft habe ich bei den verschiedensten Begegnungen immer wieder gehört, welch tragende Kraft für den Einzelnen in seiner Not die Fürbitte der Geschwister ist. Wie hatten wir gerade auch in letzter Zeit bei hereinbrechenden Leiden hier und dort erlebt, wie Gebetskreise entstanden sind, die sich täglich (!) treffen und von denen eine große Strahlkraft ausgeht. In solchen Gebetskreisen treffen sich die Generationen und sind einig vor Gott – Wirkung einer neuen Gemeinschaft durch den Heiligen Geist!
  • Durchs Opfern. Das betrifft alle Bereiche des Lebens: Opfer an Zeit (wie notvoll und herausfordernd heute!), an Kraft – auch an psychischer Kraft und schließlich auch an Finanzen. Es ist eigenartig, dass manche Geschwister heute die Frage des Geldes innerlich gleichsam wegschieben und immer mit „Bettelei“ verbinden oder eigenartig sich im Innersten dagegen wehren und getroffen sind. Es ist jedoch weithin unbekannt und unsichtbar, wie viel Segen und wie viel aufbauende Kraft durch finanzielle Gaben dem Einzelnen und der Gemeinde Jesu zugeflossen sind und wie stark Gottes Reich damit gebaut werden kann. In dieser Hinsicht ist betend und nachdenkend 2.Kor 8-9 zu lesen. Paulus verwendet allein zwei Kapitel dazu, um das Geheimnis eines solchen Opferns deutlich zu machen.

Zusammenfassung

Gemeinschaft

  • das ist die gelebte innige Beziehung zum Schöpfer und zu Christus durch den Heiligen Geist
  • das ist die Konkretion der Liebe zum Bruder und zur Schwester
  • das ist Arznei gegen den Egoismus des eigenen Lebens und gegen den Individualismus unserer Zeit.

Gemeinschaft – das ist Gabe Gottes und Aufgabe zugleich!

Otto Schaude, Reutlingen