Philipper 2,12-30

Der Ernst des Glaubens

Schaffet euer Heil mit Furcht und Zittern (V. 12-18)
Ich meine, einem evangelischen Christen müssen die Verse 12-13 zusetzen. Warum? Weil Paulus hier sagt, dass der Christ sein Heil mit Furcht und Zittern – so wörtlich – erarbeiten soll. Das klingt verdächtig nach Werkgerechtigkeit. Ist Paulus am Ende doch wieder in das pharisäische Denken abgerutscht? Doch heißt es nicht auch ganz klar, dass der Christ durch den Glauben an Jesus selig wird? Jakobus hält dagegen: Glauben? Das tun die Teufel auch und ... zittern! Nun kommt Paulus wieder zu Wort und fügt an: Gott schenkt das Wollen und auch das Vollbringen. Wenn Gott am Ende das Entscheidende zu meinem Heil tut, warum soll ich noch arbeiten um des Heils willen, sogar mit Furcht und Zittern?
Wenn ich diese Verse lese, fallen mir zwei Männer ein, deren Leben eine Antwort auf diese Fragen sein könnte: Martin Luther und Dietrich Bonhoeffer. Martin Luther hatte eine grauenvolle Angst vor dem richtenden Gott. Er meinte, durch den Eintritt in eines der strengsten Klöster seiner Zeit in Erfurt Gott gnädig stimmen zu können. Doch weder die „Möncherei“ noch alle Beichten bei seinem geistlichen Vater Staupitz brachten ihm die Erlösung von dem sich Fürchten und Zittern vor Gott. Dann der Durchbruch, der uns evangelische Christen bis heute prägt: Nicht durch Werke, allein durch den Glauben an den gekreuzigten und auferstandenen Herrn werde ich selig. Vierhundert Jahre später musste Bonhoeffer in seinem Buch "Nachfolge" klagend feststellen: Diese von Luther erkannte und begriffene Gnade Gottes ist zur Schleuderware verkommen. Der Ablassbrief hat sich neue Wege und eine neue Gestalt gesucht und gefunden.
Wir halten fest: Es ist durchgehend biblisches Zeugnis, dass kein Mensch durch Werke selig werden kann. Gerade das thematisiert Paulus ja im Römerbrief. Der Glaube an Jesus Christus allein ist entscheidend. Wir halten weiter fest, dass der Glaube an Jesus aber nicht zu vergleichen ist mit einer Versicherung, die ich einmalig abschließe und dann so weiter leben kann wie zuvor auch. Die Gnade Gottes ist keine Schleuderware.
Zwischen dem Anfang als Christ und dem seligen Ende, das Gott schenkt, steht der lange und mühevolle Weg des Gehorsams. Bezugsvers ist Kapitel 1,27: „Wandelt würdig der Berufung!“ Paulus meint also: Als Christen sind wir geadelt. Wir sind Kinder des allmächtigen Gottes geworden, ohne unser Zutun, ohne unser Verdienst. Als Kinder Gottes sind wir automatisch auch erbberechtigt. Aber Adel verpflichtet! Als Kinder Gottes sind wir aufgerufen, unsere ganze Kraft, unsere Kreativität – sprich unser Leben – dranzusetzen, dass wir uns dieser Berufung als würdig erweisen. Ein Schlüssel dazu ist das „Fürchten und Zittern“. Ich glaube nicht, dass Paulus damit meint, dass wir vor unserem himmlischen Vater Angst haben sollen. Gemeint ist die Ehrfurcht vor Gott. Gott ist kein Kumpel, kein Pappi, der bei allem immer ein Auge zudrückt. Gott ist der Schöpfer des Universums. Selbst Johannes (siehe Offenbarung) hat es sprichwörtlich umgehauen, als er seinen verherrlichten Herrn wiedersah. Wer das begriffen hat, der wird sich immer in seinem Leben als Christ die eine Frage stellen müssen: Was ist mein Motiv? Trachte ich wirklich nach Gottes Willen? Und wie verstehe ich Gottes Wort? Ist es nicht so, dass es oft missbraucht wird als erbauliche Lektüre, die mich immer nur bestätigt und schöne Gefühle schafft, aber letztendlich in meinem Verhalten nichts verändern darf? Was würde sich ändern, wenn ich begänne, das Wort Gottes wirklich ernst zu nehmen?

Niemand nach meinem Sinn (V. 19-30)
Im nächsten Abschnitt erfolgt ein zweites schweres Wort: Paulus sagt, dass „alle das Ihre suchen, nicht das, was Jesu Christi ist“. Dem Apostel macht dieser Umstand schwer zu schaffen. Es ist die Rede von „tiefer Bekümmerung“ und von vielfacher „Trauer“. Hier möchte ich am liebsten mit allen Christen stehen bleiben und uns fragen: Ist es nicht so? Wer sucht wirklich den Willen des Herrn? Wer kann von sich sagen, dass er nicht sich selbst verwirklichen will? Siegmar Stehmann sagt in einem Gedicht: „Wir rufen die Liebe, die arme Magd, die jeder begehrt und jeder verjagt!“ Wir wollen vom Herrn geliebt werden, Vergebung bekommen, getröstet, beschützt und gestärkt werden. Und wir sind so wenig bereit, zu lieben, zu vergeben, zu trösten, zu beschützen und zu stärken. Wir sprechen lieber durch Mikrofone, statt zum Einsamen und Kranken.
Paulus spricht von zwei Männern, die er uns als Vorbild vor Augen stellt: Timotheus und Epaphroditus. Von Timotheus heißt es, dass er wie ein Kind seinem Vater nicht Paulus, sondern „dem Evangelium“ gedient hat. Wenn wir allerdings die Timotheusbriefe lesen, wie sehr die christliche Gemeinde diesem jungen Mann zugesetzt und ihn verzagt gemacht hat, dann weiß man, was es heißt, dem Evangelium zu dienen. Denn das Evangelium durchkreuzt unsere Eigeninteressen.
Von Epaphroditus lesen wir, er sei ein Mitstreiter und ein „Helfer in der Not“. Die Gemeinde in Philippi liebte Epaphroditus, und er liebte sie. Es geht einem das Herz auf, welch eine Sehnsucht und Liebe diese Gläubigen verbindet. Die Christen in Philippi konnten sich nicht mehr freuen, als sie hörten, wie schlecht es dem Mitarbeiter des Paulus erging. Sie machten seine Not zu der ihren. Am Schluss heißt es, dass die Gemeinde solche Menschen in Ehren halten soll, die bereit sind, Gesundheit, Kraft, Geld und ihr ganzes Leben für die Sache Jesu dranzugeben.

Schluss:
Keine Fragen, sondern eine herzliche Buchempfehlung zu diesem Thema:
Magnus Malm: Gott braucht keine Helden, Edition Aufatmen

Michael Strauch, Berglen

Impulse zur Veranschaulichung für Kinder und Erwachsene:
· Veranschaulichung zu V. 12+13: Ein Kind soll etwas von einem Schrank herunter holen, kommt alleine aber gar nicht hin. Der Vater hebt es hoch – und so klappt es problemlos. - Gott ist wie der Vater. Er hilft zum Wollen und Vollbringen.
· Zu V. 19ff: Paulus freut sich über seine Mitarbeiter. -Nehmen wir unsere Mitarbeiter überhaupt wahr? Wie wär´s mit konkretem Gebet oder einem kleinen Dankeschön für sie?