Galater 4,8-31

Umkämpfte Freiheit

Unmittelbar vor unserem Textabschnitt wird beschrieben, wie Menschen durch die “Erbschaft“ Jesu Christi befreit wurden von der Knechtschaft. Sie wurden zu Kindern und Erben. Das galt Menschen, die Juden waren und auch denen, die Heiden waren. Die Juden wurden unter dem “Gesetz“ geknechtet. Die Heiden dienten “Götzen“ und waren damit auch Knechte.

Unser heutiger Text warnt zu Beginn vor dem Rückfall in vorige Zeiten:
Wer von Gott “erkannt“ ist, ist frei von den alten Ordnungen und Verhaltensweisen, der alten Lebenseinstellung. Er ist im Kern anders geworden Aber es ist - so Paulus - möglich, dass Menschen wieder in die alte Lebensmelodie zurückfallen. Dann haben sie das alte Gesetz nur mit einem neuen Gesetz ersetzt. Deshalb:

Vorsicht: Hier geht´s zum “Holzweg Gesetzlichkeit“ (V. 8-10)
Paulus verdeutlicht das, indem er seine Person mit Leidenschaft ins Gespräch bringt. Er verweist auf manches Abstoßende an ihm. Seine eigene Person kann es wohl letztlich nicht gewesen sein, die ihn mit den jungen Christen zusammengebracht hat. Es war die Kraft des lebendigen Gottes, es war die ganz frisch geschenkte herzliche “Geschwisterschaft“ durch Jesus, die sie zueinander führte.
Und jetzt: Paulus ist es unverständlich und schmerzlich, dass seine “Geschwister“ nicht erkennen, wie sie auf Verführer hereinfallen, die sie in unfairer Weise ins alte Leben zurückzerren. Deshalb:

Paulus wirbt mit dem “Herzen“ zur Umkehr zum Guten, zur Freiheit (V. 11-20)
Paulus verweist auf eine doppelte Verbindung bei Abraham. Aus der Verbindung mit der Sklavin Hagar wurde Ismael geboren. Aus der Verbindung mit Sarah stammt Isaak. Die Nachkommenschaft aus dem Fleisch wird an Ismael sichtbar. Die Nachkommenschaft aus dem Geist zeigt sich in der Geburt Isaaks. Mit Ismael (Sohn mit der Sklavin) verbindet Abraham nur die Blutsverwandtschaft. Mit Isaak (Sohn aus der Verheißung) verbindet ihn die Freiheit der Größe Gottes. Von der “Sklavin“ Hagar soll sich Abraham trennen, weil diese Verbindung nur in die Knechtschaft führt. Deshalb:

“Knechtschaft und Freiheit“ sind wie “Feuer und Wasser“ - sie schließen einander aus (V. 21-31)
Unser Text ist gerade für Christen, denen das Gesetz wichtig ist, aktuell. Der Effekt des Gesetzes ist die Sklaverei. Zweifelsfrei wird anerkannt, dass das jüdische Gesetz Gottes Gesetz ist. Es zeigt uns unmissverständlich das Grundverhältnis zwischen Gott und Mensch. Die Juden haben zweifelsohne einen großen Vorteil. Sie wissen, was Gott will. Aber letztlich gilt es für sie einzusehen, dass wir nicht durch das Einhalten von Gesetzesvorschriften erlöst sind, sondern vielmehr, dass Gott anders auf unsere Sünde/Übertretung reagiert, als es das Gesetz vorschreibt. Gott hat das Gesetz an anderer Stelle erfüllt: am Kreuz mit Jesus. Dadurch und nur durch ihn sind wir frei. Aber durch ihn sind wir es wirklich.
Warum wird Paulus schier irre an den Galatern (V. 20)? Was er ihnen vorwirft, ist nicht moralischer Natur, also Unrecht.... Was er vorwirft ist, dass sie die “Linie der Freiheit“ verlassen haben, den Maßstab für das Christenleben. Und das gilt Judenchristen in gleicher Weise wie Heidenchristen.
Es genügt eben nicht, nur die richtige Lehre zu vertreten. Es kommt darauf an, dass wir Menschen die Innewohnung Christi, die Gemeinschaft mit ihm, die Teilhabe an ihm nicht verachten. Das Bekenntnis zu einer guten Norm reicht nicht. Es geht um den lebendigen Christus, der uns “treibt“ und durchpulst.
Zu den zwei Söhnen Abrahams (Ismael und Isaak): Wir brauchen der Verheißung nicht dadurch nachhelfen, indem wir die fehlende Nachkommenschaft zu “machen“ haben. Wir dürfen aus der Verheißung leben. Gott wird sie erfüllen. Das bedeutet nicht “Hände in den Schoß legen“. Das bedeutet konsequente Entscheidung: Gesetz oder Evangelium, Vernunft oder Glaube, Naturgesetzlichkeit oder Verheißung, Fleisch oder Geist, Knechtschaft oder Freiheit, Entweder - Oder. Ismael wird in der Geschichte nicht ausgelöscht. Er bleibt das tragische Testament eines “knechtischen Verhaltens“ bis in unsere Gegenwart hinein (und dadurch ein dauernder Anstoß für uns heute zur Entscheidung: Entweder - Oder).
Ein dauernder Anstoß, weil die beiden Wirklichkeiten so nah beieinander sind: Das “aus Fleisch Geborene“ und das “aus Geist Geborene“. Hier kann es keinen Kompromiss geben, keine Synthese. Eine liebevolle Bescheidenheit – oder besser gesagt Unentschiedenheit – ist nicht richtig und möglich.

Fragen zum Gespräch:
· Wo ist Freiheit bedroht durch Gesetzlichkeit bzw. durch die Götter?
· Wo ist ein Schnitt gefordert, weil wir in der Gefahr stehen, uns wieder vom “Gesetz“ und den “Göttern“ einfangen zu lassen?
· Was fördert die rechte Freiheit?
· Welche Schritte zur Freiheit sind jetzt zu gehen?

Ulrich Hettler, Heidenheim

Impulse zur Veranschaulichung für Kinder und Erwachsene:
- Beispielgeschichte aus: „Nicht wie bei Räubers“. Der Räuberjunge Tom, der vom König aller Könige befreit und adoptiert wurde, bemüht sich, es dem König in allem sehr recht zu machen. Darüber hat er gar keine Zeit mehr, um beim König selber zu sein. Der König vermisst ihn und hat Sehnsucht nach ihm. = Auf die Beziehung kommt es an und nicht auf die Leistung.