Matthäus 26, 31 - 46

Von der Leidensankündigung zu ersten Leidenserfahrungen

Die Leidensgeschichte Jesu ist die konsequente Fortsetzung seines Abstiegs aus der Herrlichkeit des Vaters (Weihnachten) in die Tiefen menschlicher Verlorenheit (Karfreitag). Jesus durchleidet es, von Menschen (seinen Jüngern) und von Gott verlassen zu werden. Sein Weg führt in äußerste Einsamkeit hinein. Nur er kann den Weg der Erlösung gehen, und zwar allein.

Die letzte Leidensankündigung
Jesus ahnt nicht nur, was auf ihn zukommt. Er weiß es. Nachdem er dreimal seine Jünger auf sein Leiden und Sterben vorbereitet hat (Mt 16,21ff; 17,22ff; 20,17ff), folgt jetzt die vierte und letzte Vorankündigung mit dem Hinweis, dass die Ereignisse unmittelbar bevorstehen. Schmerzlich für Jesus ist dabei, dass er den Jüngern ankündigen muß, dass sie alle an ihm Anstoß nehmen werden. Im Griechischen steht hier das Wort "skandalon". Damit ist das Stellholz an einer Falle gemeint. Die Jünger werden an das Stellholz stoßen und die Falle zuschnappen lassen. Damit wird deutlich: sie können den Weg Jesu gar nicht mit aller Konsequenz mitgehen. Sie können mitleiden. Auch mitsterben können sie. Aber sie können nicht die Sündenlast der Welt mittragen und für die Schuld der Welt mitbezahlen. Dieser Weg ist allein dem Sündlosen vorbehalten. Sie sitzen mit in der Falle.
Darum muß Jesus auch seinem Jünger Petrus wehren. Es ehrt Petrus, dass er bereit ist sein Leben für Jesus einzusetzen. Aber diesen entscheidenden Schritt kann er nicht mitgehen, weil er selber erlösungsbedürftig ist. Jesus muß auch für seine Sünde sühnen. Petrus hat dies durch die bittere Verleugnung seines Herrn erst noch zu erkennen. Über der Ankündigung des Schrecklichen und für die Jünger Unvorstellbaren leuchtet schon ein Silberstreif auf. Jesus kündigt nicht nur seinen Tod, sondern auch seine Auferstehung an. Damit öffnet er über den Tod hinaus eine Perspektive.

Die erste Leidenserfahrung
Wer nun Jesus hingebungsvoll beisteht, zeigt sich gleich in der Folge. Die Jünger sind vom langen Tag und dem Festmahl müde. Jesus bittet seine Jünger, mit ihm zu wachen. Petrus, Johannes und Jakobus nimmt Jesus mit. Die, die er dabei gehabt hat auf dem Berg der Verklärung, sollen ihm jetzt in besonderer Weise zur Seite stehen. Aber offensichtlich nehmen sie nicht wahr, was mit Jesus los ist. Dass er anfängt zu trauern und zu zagen, dass ihm die Last zu schwer wird, erkennen sie nicht. Als Jesus sie zur Stütze braucht, schlafen sie. Jesus ist im Gebet allein und erfährt ein erstes Verlassensein. Dennoch: sein Gebet ist volle Hingabe. Er sucht die Nähe des Vaters, wie oft zuvor (vgl. Mk 1,35 u.ö.). Auch für ihn ist der Einklang mit dem Willen des Vaters nicht selbstverständlich. Er muss wie wir darum ringen. Kelch ist hier der Leidenskelch, eine Bezeichnung für das, was einem Einzelnen oder einem Volk an Segnungen oder Leid auferlegt wird. (vgl.Ps.116,13/ Jes.51,17) Ist das überhaupt menschlich tragbar, was Jesus hier auf sich nehmen soll? Jesus geht nicht heldenhaft in den Tod, sondern als einer, der um die Schwere der Menschenschuld weiß und sie mit allen Konsequenzen tragen soll. Vollkommene Preisgabe seiner selbst, voll-kommene Hingabe ist dazu erforderlich. Sogar das Verlassensein von Gott schließt das mit ein. Wenn es keine Alternative gibt, will Jesus diesen Weg gehen. "Dein Wille geschehe!" Das wohl schwerste Gebet, das mit aller Konsequenz gesprochen werden kann. Dieser Moment in Gethsemane ist die letzte Versuchung Jesu. Er steht sie durch - aus Liebe zu uns.

Fragen zum Gespräch:
Wie weit reicht unsere Hingabe an Jesus? Was sind wir bereit für ihn und seine Gemeinde einzusetzen? Petrus ist uns manchmal näher als uns lieb ist. Auf was richten wir zuerst unseren Blick, auf unsere eigene Glaubenstreue oder auf Jesu Gnadenzusage?
Jesus hat einen beispielhaften Gebetskampf geführt. Wie ringen wir mit unserem himmlischen Vater? Schlussbemerkung:
"Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach" darf für uns nie zur Ausrede werden!

Pfarrer Hans-Joachim Baumann, Römerstein