Matthäus 17, 1 - 13

Matthäus 17, 1 - 13 Geistliche Erfahrungen

In diesem Text lesen wir davon, dass einige Jünger Jesu, nämlich Petrus, Jakobus und Johannes, von Jesus mitgenommen werden zu einem ganz besonderen Ereignis. Sie bekommen eine besondere Offenbarung oder Vision geschenkt, eine geistliche Schau, die den Menschen und auch den Jüngern sonst verborgen ist.

Der Reiz geistlicher Erfahrungen
Auf dem Berg, auf den Jesus die drei Jünger führt, wird er vor ihren Augen "verwandelt". Luther übersetzt das griechische Wort mit "verklären", weil er von dem geistigen, dem Lichtleib Jesu her denkt. ("Die Klarheit des Herrn leuchtete um sie", Lk 2,9). Weil dieses Wort aber inzwischen seine Bedeutung gewandelt hat und vor allem weltlich benutzt wird, wenn von etwas Schönem die Rede ist, sagen wir besser "verwandeln".
So etwas Wunderbares haben die drei Jünger wohl noch nicht gesehen: Jesus nicht mehr in irdischer Gestalt, sondern in seiner himmlischen, verherrlichten Gestalt. Dann treten noch zwei Männer hinzu, die wichtige Stationen des Alten Testaments markieren: Mose, der vor seinem Tod zum Volk Israel sagt: Einen Propheten wie mich wird dir der Herr, dein Gott, erwecken (5.Mo 18,15), und Elia, von dem es heißt, er müsse erst wiederkommen, bevor der Messias kommen kann (Mal 3,23). Beiden ist noch gemeinsam, dass ihre sterblichen Leiber von Gott selbst entrückt wurden. Elia fuhr mit dem feurigen Wagen zum Himmel auf, Mose wurde von Gottes eigener Hand begraben. Bei einer solchen Begegnung mit Personen aus der eigenen Heilsgeschichte ist es nicht verwunderlich, dass Petrus dieses Erlebnis festhalten will. Wer wollte nicht staunen und stehen bleiben, wenn er so Wunderbares zu sehen bekommt. Aller grauer Alltag bleibt dahinter zurück. Das gleiche gilt für geistliche Erfahrungen in unserer Zeit. Wir suchen Erfahrungen, meistens in Form von Wundern, um unseren Glauben bestätigt zu bekommen, vielleicht auch, damit wir etwas vorzuweisen haben, wenn wir gefragt werden, was uns an unserem Glauben wichtig ist. In einer erfahrungs- und erlebniszentrierten Gesellschaft scheint der "graue Alltag" des Glaubens, das Normale und Alltägliche, jedenfalls nicht attraktiv zu sein.

Der Schrecken geistlicher Erfahrungen
Die Sehnsucht des Petrus, auf diesem Berg bleiben zu können, fern von den Sorgen des Alltags, wandelt sich plötzlich in tiefes Erschrecken. Nicht nur Mose und Elia sind nun bei Jesus auf dem Berg, sondern eine "lichte Wolke". Eine Wolke, angefüllt mit dem Licht der Herrlichkeit Gottes, überschattet plötzlich das Geschehen. Das Licht der Sonne verschwindet, aber das Licht aus der Wolke genügt, um alles hell zu machen. Aus dieser Wolke spricht die Stimme Gottes, des Vaters. Diese Begegnung mit der hellen, reinen Heiligkeit Gottes ist so wunderbar und zugleich so entsetzlich, dass die Jünger sich erschrocken mit dem Gesicht nach unten auf den Boden werfen, in die Haltung tiefster Demut, wie sie an antiken Königshöfen üblich war. Wo Gottes Herrlichkeit ist, da erschrecken die Menschen. Wenn wir uns im Lichte Gottes sehen, sehen wir, was wir sind: verlorene Sünder, die vor Gott nicht bestehen können. Plötzlich ist das Erlebnis auf dem Berg nicht mehr so erstrebenswert, dass Petrus dort bleiben möchte.

Das aufrichtende Wort Jesu
Jesus tritt zu den erschrockenen Jüngern. Er berührt sie und fordert sie auf, aufzustehen von der Erde. Da erst wagen sie, ihren Blick zu heben und sehen nur noch Jesus, wieder mit seinem irdischen Leib. Diesen Jesus kann man anschauen, ohne vor Entsetzen zu vergehen. Er ist der Sohn Gottes, doch zugleich ist er Mensch. Darum stellt er die Brücke dar zwischen Gott und den Menschen. Nur so können wir die Gegenwart Gottes ertragen, verhüllt in der Person Jesu, in seiner Menschlichkeit und Liebe zu uns. Nach dem Schrecken der Gottesbegegnung brauchen die Jünger das aufrichtende Wort Jesu. Das ist das Wort der Vergebung.
Das folgende Gespräch läuft darauf hin, das Jesus nochmals die Leidensankündigung aus Kap. 16 aufnimmt: So wird auch der Menschensohn durch sie leiden müssen. Dieses Leiden erst ermöglicht uns, die Nähe Gottes zu ertragen. Und erst nach Ostern, von der Auferstehung her, ist überhaupt zu begreifen, was auf dem Berg geschehen ist. Der verwandelte Leib Jesu ist der Auferstehungsleib. So darf auch erst nach der Auferstehung dieses Erlebnis weitererzählt werden.

Fragen zum Gespräch:
· Wo suchen wir nach besonderen geistlichen Erfahrungen - und warum?
· Haben wir schon einmal das Erschrecken über die Gegenwart Gottes gespürt?
· Haben wir dann auch das aufrichtende Wort Jesu, das Wort der Vergebung gehört?

Thorsten Müller, Göppingen