Matthäus 22,34-46

Jesus, wer bist du?!

I. Das unausgesprochene Urteil über Jesus
Mit Jesu Einzug in Jerusalem (Mt 21,1ff) und speziell nach seinem Gleichnis über die „königliche Hochzeit“ (Mt 22,1-14) bemühte sich die geistliche Obrigkeit nun konzentriert, Jesus durch irgendwelche belastenden Aussagen endlich zu Fall zu bringen. „Da gingen die Pharisäer hin und hielten Rat, wie sie ihn (Jesus) in seinen Worten fangen könnten“ (Mt 22,15). Zunächst versuchten ihn die Pharisäer (als entschiedene, gesetzestreue Laien), ihm mit der Frage um die Steuer eine Falle zu stellen (Mt 22,15-22), dann die Sadduzäer (als liberale, politische Juden) mit der Frage nach der Auferstehung der Toten (Mt 22,23-33) und schließlich die Schriftgelehrten (als intelligente Theologen) mit der Frage nach dem wichtigsten Gebot (Mt 22,34-40). In allen drei Fällen müssen die Streitgespräche mit dem unausgesprochenen Urteil enden: Jesus ist kein Irrlehrer! Nun geht Jesus zu einer Offensive über: Er ist der vollkommene Gesetzesausleger, der Messias! Aber er wird nicht erkannt, sondern verworfen. Darauf folgen Jesu harte Rede gegen die Schriftgelehrten und Pharisäer (die geistliche Obrigkeit aus Theologen und Laien) (Mt 23,1-36) und sein Weheruf über die Stadt Jerusalem (als dem geistlichen Mittelpunkt Israels) (Mt 23,37-39).

II. Der unerwartete Wechsel: Aus Anklägern werden Angeklagte
Der Schriftgelehrte stellt Jesus die Scheinfrage nach dem höchsten Gebot. Er meint die Antwort schon längst zu wissen, er möchte lediglich sein Urteil über Jesus bestätigt haben, einen Grund finden, ihn als Irrlehrer zu verurteilen. Natürlich wollte man immer wieder die 613 Gebote des AT gewichten. Das Bekenntnis „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben...“ sprechen die Juden von Kindesbeinen an zwei Mal am Tage („Schema Israel“). Diese Liebe zu Gott ist das erste und größte Gebot, alle weiteren Gebote folgen ihm. Diesem Gebot wird das Gebot der Nächstenliebe beigeordnet. An beiden Geboten erfüllt sich letztlich das ganze Alte Testament. - Wer aber dieses Bekenntnis nicht nur zwei Mal am Tage aufsagt, es auf der Stirn und am Arm trägt, es an die Türpfosten nagelt, sondern es ernsthaft zu Herzen nimmt, der muss doch eigentlich zu der Frage kommen: Wer kann das je erfüllen? Jesus geht mit seiner Frage in die Offensive. Bisher hatten ihn seine Gegner mit ihren Fragen der Gesetzesauslegung in die Enge treiben wollen; nach biblischem Verständnis aber sollte der lang erwartete Messias die vollkommene Gesetzesauslegung selber bringen und auch leben (Jes 9,5f; 11,2-5; 42,1-4; 60; 61). Jesus spricht Psalm 110, Vers 1 an. Von wem spricht David: „Der HERR sprach zu meinem Herrn“? - „Der HERR“ - das ist Gott - sprach zu „meinem Herrn“; er steht also über David und ist nicht lediglich ein Nachkomme, sondern der Messias! Jesus führt seine Kritiker an sein Personengeheimnis heran: Er ist Davidssohn und Gottessohn zugleich. Die Gegner (qualifizierte Theologen und engagierte Laien!) können Jesus nichts mehr erwidern (Mt 22,46). Sie müssten Jesus eigentlich als ihren Herrn bekennen, aber sie verschließen sich umso mehr und möchten ihn nur noch loswerden (Mt 26,1-5).

III. Die Entscheidung
Jesus spricht: „Selig sind die Augen, die sehen, was ihr seht. Denn ich sage euch: Viele Propheten und Könige wollten sehen, was ihr seht, und haben’s nicht gesehen, und hören, was ihr hört, und haben’s nicht gehört“ (Lk 10,23f). Die Augen der Pharisäer, Sadduzäer und Schriftgelehrten waren nicht selig! Ihre Augen waren blind und ihre Ohren taub! Wie erschreckend: Die geistliche Obrigkeit und Elite, die über ein immenses Bibelwissen verfügte, konnte Jesus nicht erkennen und wollte ihn nicht ehren. Sie waren so von sich und ihrer Meinung überzeugt und so tief darin verhaftet, dass sie Angst hatten, ihr Gesicht vor den Leuten zu verlieren, sodass sie Jesus – den lang ersehnten Messias - lieber ablehnten und umbrachten (Mt 23,23-36), als ihm einfach – wie ein Kind – froh entgegenzulaufen (Mt 18,4f). “Gerade die guten, anständigen und hilfsbereiten Menschen sind offenbar in besonderer Weise gefährdet vor Gott. Denn es sieht so aus, als ob sie keine Vergebung und keine Erlösung nötig hätten. Und gerade dieser Schein hindert sie, sich zu bekehren und ihr Leben ganz dem lebendigen Gott zur Verfügung zu stellen.“ (Jürgen Blunck)

Fragen zum Gespräch:
Ø Wo bin ich festgefahren und kann Jesus nicht unbeschwert und bedingungslos folgen?
Ø Welche Lebensbereiche enthalte ich ihm vor?
Ø Spüre ich, warum etliche Juden damals Jesus nicht folgen konnten, und erahne ich, wie schwer es angesehenen Bürgern unserer Zeit fallen muss, Christ zu werden? Was zerbricht uns, wenn wir Jesusnachfolger werden? Erkenne ich, wie stark Menschengefälligkeit und Menschenfurcht knechten? Was bedeutet das für uns als Gemeinde Jesu Christi und für uns als Beter?
Oliver-Michael Oehmichen, Creglingen

Impulse zur Veranschaulichung für Kinder und Erwachsene:
Ein Beispiel aus dem Straßenverkehr erzählen. Frage: Wozu braucht es Verkehrsregeln? Antwort: um uns und andere zu schützen. Hauptregel: Niemanden gefährden. Das kann bedeuten, dass man unter Umständen nur 30 km/h fährt, obwohl 50 km/h erlaubt sind. Hauptregel von Jesus: Gott und Menschen lieben. Gemeinsam überlegen: Wie zeigt sich diese Liebe?