Nehemia 8, 1-18

Der innere Neuanfang

Nachdem der Mauerbau vollendet und gesichert und die Besiedelung der Stadt geordnet war, ging es nun um den inneren Aufbau des Glaubens der jüdischen Gemeinde. Baute Nehemia die äußere Mauer um Jerusalem, so wird nun durch Esra mit der Verlesung und Einschärfung des Gesetzes eine innere Mauer in den Herzen gebaut, die Israel gegenüber zerstörerischen Einflüssen durch ihre Nachbarvölker schützen soll. Wo dieser innere Aufbau in einem Volk oder der Gemeinde fehlt, wird der erstaunlichste wirtschaftliche Aufschwung sinn-los und zur Versuchung, die faszinierendste Forschung ethisch gefährdet und die erfreulichste zahlenmäßige Entwicklung ohne inneren Halt und kraftlos. Nun tritt Esra in den Mittelpunkt der Ereignisse, die so von Nehemia gewollt und gefördert wurden (8,9; Kap. 10). Es ist eine faszinierende Zusammenarbeit zweier Männer, die sich von ihrem Beruf, ihrer Ausbildung und ihren Gaben her ideal ergänzten und jeweils einen durch den anderen nicht zu ersetzenden Dienst taten. Was für ein Segen für den äußerren und inneren Aufbau der Gemeinde Jesu, wenn von der Kinderstunde bis zur Gemeinschaftsleitung unterschiedliche Biographien, Gaben und Schwerpunkte als ergänzende Bereicherung gesehen und sinnvoll eingesetzt werden. Und was für ein Jammer, oft Schaden, wenn stattdessen Konkurrenzdenken und Machtkämpfe herrschen.

Wie geht der innere Aufbau vor sich?

Verlesung des Gesetzes (1-8)
Es ist ein Bedürfnis im Volk, das nun nach innerer Orientierung sucht. So kommt es zur öffentlichen Verlesung des mosaischen Gesetzes, wobei die politisch Verantwortlichen an erster Stelle mit dabei sind. Hier ist bewusst, dass Glauben und die innere Orientierung eines Volkes eben nicht nur Privatsache sind, sondern entscheidend für eine Gesellschaft. Darum verstärken die Verantwortlichen durch ihr Vorbild diese Orientierung.
Nach der Verlesung des Gesetzes des Mose durch Esra kommt es zum anbetenden Gebet, bevor Leviten, offenbar in Gruppen, das Gehörte auslegten, klar und verständlich, "so dass man verstand, was zuvor gelesen worden war". Liegt hier ein Grund für den dramatischen Traditionsabbruch in unserem Volk, auch unseren Gemeinden und Gemeinschaften, dass zu spät die Notwendigkeit der kleinen Gruppen und einer allgemein verständlichen, in den Alltag hinein umsetzbaren Auslegung erkannt wurde?

Aufruf zur Freude an das Volk (9-12)
Gott redet durch sein Wort unverfügbar, "wo und wann er es will" (Confessia Augustana V). Doch wenn er es ist, der redet, dann tut es nicht nur gut, dann ist das nicht nur schön und bestätigend. "Ich habe erfahren, dass es gefährlich sein kann, intensiv auf Gott zu warten", so eine Teilnehmerin von Schweigetagen. Wenn wirklich Gott redet, dann zeigt er uns immer wieder unser Leben in seinem Licht. Dann kommt es zu echter Reue, ja zum Erschrecken. Wo das nicht zugelassen wird, wird Gnade zur billigen Selbstbestätigung. Wer solche Reue aber "machen" will, macht ungeistlichen Druck. Doch wenn Gott am Werk ist, dann braucht es in der Reue, in der Erschütterung auch einen, der weiterführt, der den Blick auf den sich erbarmenden Vater lenkt (Lk 15), der auf Jesus, das Lamm Gottes, hinweist (Joh 1,29), der zuspricht: "Dir sind deine Sünden vergeben" und "Sei nicht bekümmert, denn die Freude am Herrn ist deine Stärke". Menschen und Christen, die ihr Versagen und ihre Schuld erkennen, die unter ihrer Art und den hartnäckigen Schwächen leiden, manchmal sogar verzweifeln wollen, die nur noch Schuld, Verwerfung und Gottes Gesetz hören und sehen, die brauchen nichts mehr als den Bruder und die Schwester, die das Evangelium zusprechen: "Seid nicht bekümmert. Schaut hin und freut euch, nehmt es wahr und nehmt es an! Denn nicht euer Zerbruch, eure Zweifel und Verzweiflung, sondern die Freude an der Gegenwart, der herzlichen Barmherzigkeit, der Vergebung des Vaters im Himmel macht euch stark und frei." Und einladend auch noch nach außen - für heute gesprochen.

Neue Feier des Laubhüttenfestes
Nun wird das Fest gefeiert, wird wahrgenommen: "Auch das ist Gottes Wille nach seinem Wort". Sehen wir das noch, dass das Jubeln, das Feiern, das Lachen und Singen, die so ausgedrückte Freude an Gott, aneinander und am Leben, das er schenkt, nach Gottes Willen zu den Kennzeichen seiner Gemeinde gehören soll? Leben wir das noch? "Denn die Freude am Herrn ist eure Stärke!"

Fragen zum Gespräch:
· Wie gehen wir in unserer Gemeinschaft mit den unterschiedlichen Lebensführungen und Gaben um?
· Wie könnte die "Freude am Herrn" bei uns wach, laut und "zur Stärke" werden?

Pfarrer Karl-Hermann Gruhler, Endingen

Impulse zur Veranschaulichung