Nehemia 10, 1-40

Wie ernst ist die Reue?

Bevor Gott auf das vorhergehende Bußgebet antwortet, wird die Bitte um Vergebung nun unterstrichen durch eine schriftliche Verpflichtung des Volkes auf die Gebote Gottes allgemein sowie auf einige besonders erwähnte Ordnungen des Gesetzes. Dadurch soll deutlich werden, dass es nicht reicht, einfach leichthin um Vergebung zu bitten ohne ernsthafte Reue und den ernstgemeinten Entschluss, die Sünde künftig zu lassen und das Leben wieder an Gottes Geboten auszurichten. Wer um Vergebung bittet, aber dann bewusst in der Sünde weiterlebt, spielt mit dem Feuer, bzw. mit Gottes Heiligkeit und darf nicht auf Vergebung hoffen. Zunächst geht es um die Verpflichtung auf Gottes Gebote allgemein (V. 30). Dann werden acht Vorschriften besonders erwähnt, die wohl die Gebiete berühren, in denen zur damaligen Zeit der Ungehorsam eklatant war. Dies betrifft zunächst die Mischehen mit Nicht-Israeliten (V. 31; vgl. Neh 9,2; 13,23ff) und das Einhalten des Sabbatgebotes, insbesondere im Blick auf den Handel (V. 32; vgl. Neh 13,15ff). Weiter geht es um das Einhalten der Brache sowie um den Schulderlass im Sabbatjahr (V. 32; vgl 2.Mo 23,10f; Neh 5,1-13). Die folgenden Punkte betreffen verschiedene Arten von Abgaben, die wohl auch wegen der vorherrschenden Armut der Menschen zuvor unterblieben waren. Auffällig ist, dass die Tempelsteuer in V. 33 auf einen drittel Schekel statt des vorgeschriebenen halben Schekels reduziert wird (vgl. 2.Mo 30,13). Vielleicht ein Entgegenkommen gerade im Blick auf die große Armut? Die Abgabe des Zehnten wird ergänzt durch Abgabe der Erstlingsfrüchte, der Erstgeburt von Vieh und Mensch (Letzterer wird durch ein Tier oder einen Geldbetrag ersetzt), von Brennholz für den Tempel sowie weitere Abgaben für die Priester. Der Ernst der Buße wird auch an der Bereitschaft zu finanziellen Opfern festgemacht. Ein Zusammenhang, der in dem von der katholischen Kirche aufrechterhaltenen Ablasswesen anklingt, aber dort missbraucht wird, wenn der Eindruck entsteht, man könne sich Vergebung erkaufen.

Insgesamt wird durch die schriftliche Verpflichtung das vorhergehende Gebet um Vergebung nachdrücklich unterstrichen. Ein Blick in Neh 13 (vgl. Mal 2,11; 3,8) zeigt allerdings, wie kurzlebig diese Selbstverpflichtung war (wobei allerdings nicht ganz sicher ist, ob Neh 13 zeitlich nach unserem Text einzuordnen ist). Wichtig die Bemerkung eines Auslegers: "Aber ohne Gottes lebendigen und wirkenden Geist helfen auch die stärksten Eide nicht."

Fragen zum Gespräch:
· Kann man das Sabbatgebot des AT auf unseren christlichen Sonntag übertragen, oder ist das Sabbatgebot im NT und für uns Christen relativiert? (vgl. Rö 14,5; Gal 4,10f) Kann es ein Zeichen der Glaubwürdigkeit sein, wenn Christen sonntags auf die Brötchen vom Bäcker und übrige Einkäufe verzichten?
· Wie können wir die Ernsthaftigkeit unserer Bitte um Vergebung unterstreichen? Gibt es Grenzen der Vergebung?

Pfarrer Martin Hirschmüller