Jona, 3, 1-10

Eine kurze, aber wirkungsvolle Predigt

„Mann, ist das herrlich zu leben!“, seufzt Jona erleichtert, während er sich am Strand umschaut, an dem er sich unerwartet vorfindet. „Ja, es ist ein schöner Sandstrand, die See ist ruhig, und zu viele Leute sind auch nicht da. Der ideale Ferienort, an dem man sich ein paar Tage Ruhe gönnen kann. Wie zuvorkommend von dem Fisch, mich ausgerechnet an einem so schönen Fleckchen Erde abzusetzen!“ Aber wenn Jona meint, jetzt könne er sich erst mal Zeit lassen, irrt er sich gewaltig. Gott hat andere Pläne. Im Inneren jenes Fisches hat Jona einige großartige Versprechen abgelegt. Nun wird Gott ihn beim Wort nehmen. Zum zweiten Mal sagte der Herr zu Jona: „Geh nach Ninive, der großen, weltbekannten Stadt, und rufe dort aus, was ich dir aufgetragen habe.“

Zum zweiten Mal
Es ist gut zu wissen, dass Gott Versager nicht einfach abschreibt. Er gibt Jona eine zweite Chance. Weglaufen wird er nicht mehr, vom Ungehorsam und seinen Folgen hat er die Nase voll. Geht er nun mit Freuden und mit innerer Überzeugung nach Ninive? Hat er sich das Anliegen Gottes zu eigen gemacht? Oder ist er nur gehorsam, weil er aus Erfahrung weiß, dass Gott nicht aufgibt?

Eine auffallend knappe Rede
Ninive ist wirklich eine große Stadt. Teile dieser Stadt sind identisch mit dem heutigen Mosul im Norden des Irak. Drei Tage benötigt man, um geradewegs durch die Stadt zu gehen. Jona geht eine Tagereise nach Ninive hinein. Man hat den Eindruck, er ist nur darauf fixiert, seinen Auftrag zu erfüllen. Die Straßen, die Häuser und die Menschen interessieren ihn nicht. Er geht nicht zum König und nicht in den Senat, er spricht die Menschen an, die gerade vor ihm stehen. Es war sicher keine große Versammlung. Nur schnell den Auftrag erledigen. „In 40 Tagen wird Ninive zerstört.“ Gesprächig ist Jona nicht und schon gar nicht einfühlsam. Er spricht nicht mehr als das Nötigste, um nur dem Befehl Gottes gehorcht zu haben.

Eine überraschende Wirkung
Wir dürfen das Empfinden der orientalischen Menschen von damals nicht mit unserem heutigen Lebensgefühl vergleichen. Jenes Heidentum dachte in allen Lebensbereichen religiös. Die Bewohner dieser Stadt glaubten nicht dem Menschen Jona, sondern dem Gott, der durch ihn redet (V.8-9), dem unbekannten Gott (Apg 17,22-28). Ihr Gewissen ist angesprochen. Sie wissen, dass sie Unrecht getan haben. Es ist ernst, denn sie haben nur eine Frist von drei Tagen (so steht es in der griechischen Übersetzung Septuaginta). Die drei Tage machen Sinn, 40 Tage Frist hätten die Botschaft weniger dringend gemacht. So liefen die Worte Jonas wie ein Lauffeuer durch die Stadt, von Mensch zu Mensch, von Haus zu Haus bis in den Palast zum König. Was dann geschieht, ist ernst und ergreifend. Der König steigt von seinem Thron herab, er vertauscht sein Prachtgewand mit einem „Leidschurz“ (ein deckenartiges, härenes Tuch, das ein Gürtel hält, während der Oberkörper entblößt bleibt). Es ist das Zeichen des Leidens um eine offenbar vorhandene Schuld, wie er sonst auch das Zeichen der Trauer ist.

Zum Nachdenken:
Menschlich gesehen wäre es vielleicht besser gewesen, Jona zu entlassen und einen anderen Boten zu schicken. Man kann einen Menschen doch nicht zu einem geistlichen Dienst zwingen. Gott handelt nicht nach menschlichen Maßstäben und Rücksichten. Er hat Jona hart genug angefasst, aber dadurch ist Jona nicht barmherzig geworden. Ob die Güte Gottes ihn dazu bringen wird, sagt dieses Buch nicht mehr. Es endet mit einer offenen Frage für Jona. Gott alleine kann darum die Leser des Buches lehren, im eigenen Leben die richtige Antwort zu geben.

Georg Terner, Bad Liebenzell