Esra 4, 1-24

Stagnation im Gemeindebau

Voller Elan hatten die Heimkehrer aus dem Exil begonnen, wieder Gottesdienste zu feiern und den Tempel in Jerusalem aufzubauen. Aber das dauerte nicht lange. Die Menschen in ihrer Umgebung, die aus anderen Gegenden und Völkern hierher umgesiedelt worden waren, nahmen den Aufbau sehr genau wahr, und sie reagierten auf ihre Art darauf:

Anbiederung und Versuchung
Die Nachbarn der jüdischen Neusiedler sehen genau, was da in Jerusalem vor sich geht. Der Tempel Gottes soll wieder errichtet werden. "Warum nicht", sagten sich die Bewohner des Landes, die ethnisch völlig vermischt und religiös entwurzelt waren, "das könnte auch für uns Vorteile haben". Also bieten sie ihre Hilfe an. Sie biedern sich regelrecht an mit der Aussage, dass sie doch auch schon lange an den Gott Israels glauben. Sie behaupten sogar, Gott über all die Jahre hinweg geopfert zu haben.
Welch großartiges Angebot! Da kommen Randsiedler der Gemeinde und bieten ihre Mitarbeit an! Welch ungeheurer Missionserfolg, ohne je missioniert zu haben, dass sich viele hinter die Sache des Volkes Gottes stellen wollen. Aber Vorsicht, es handelt sich um eine gemeine Versuchung. Denn durch Menschen, die nicht ganz zur Gemeinde gehören, droht eine Verwässerung der Botschaft. Durch Menschen, die sich mal ein wenig und unverbindlich an der Gemeinschaft beteiligen wollen, droht die Beliebigkeit Raum zu gewinnen.
Die Gemeindeleiter Serubbabel und Jeschua erkennen die Gefahr und erteilen dem Angebot eine klare Absage: entweder man gehört ganz zu Gottes Volk oder eben nicht. Einen Gaststatus zum eigenen Vorteil gibt es nicht!

Verleumdung und Wahrheit
Die Ablehnung bewirkt nach dem missglückten Anbiederungsversuch das Gegenteil: die Feinde versuchen die Juden zu verleumden. Sie schreiben einen Brief an den persischen König (Übrigens: ab Vers 7 ist der Ur-Text in aramäisch abgefasst. Zudem ist hier etwas durcheinander geraten, denn König Artahsasta herrschte erst 60 Jahre nach König Darius, in dessen Zeit der Tempelbau vollendet wurde). In dem Brief biedern sie sich nun dem König an, von dem sie sonst froh sind, wenn er sich nicht so sehr um ihre Machenschaften in den Provinzen kümmert. Aber Feindschaft zu Gottes Volk treibt in die Arme der Mächtigen der Erde. Falsche und böse Aussagen werden über die Juden behauptet. Die Jerusalemer seien schon immer aufrührerisch gewesen, wie in den Chroniken nachzulesen sei. Haben sie erst einmal Jerusalem aufgebaut, dann stellten sie sicherlich die Steuerzahlungen nach Persien ein.
Der König lässt in den Akten nachforschen und findet die Aussagen zum Teil bestätigt. Aber er findet auch eine ganz andere Wahrheit über das Volk Gottes: "Es hat auch mächtige Könige zu Jerusaelm gegeben". Ein König David und ein Salomo sind auch der persischen Geschichtsschreibung nicht entgangen.
Wieviel mehr ist der Davidssohn unübersehbar mächtig, selbst für die größten Kritiker des Christentums!

Feindschaft und Resignation
Die massive Anfeindung verfehlt nicht ihre Wirkung. Der persische König verfügt einen Baustopp. Dieser sollte dann 18 Jahre dauern. Die sich erst im Aufbau befindlichen Juden brachten die Kraft und den Mut nicht auf, weiterzumachen. Sie resignierten und kümmerten sich jeder wieder verstärkt um die eigenen Belange. Die alle verbindende Mitarbeit am Tempelbau kam zum Erliegen, die Freude an schönen Gottesdiensten war verflogen. Man zog sich ins Privatleben zurück, ohne noch länger Notiz von Gottes Sache oder von den Geschwistern zu nehmen. Die Feinde hatten auf der ganzen Linie gesiegt!

Fragen zum Gespräch:
· Wo erliegen unsere Gemeinden und Gemeinschaften der Versuchung, viele der Anzahl wegen aufzunehmen, ohne auf den gemeinsamen verbindenden Glauben Wert zu legen?
· 18 Jahre Baustopp: Kommt es auch im Reich Gottes immer wieder zur Resignation wegen der Widersacher? Lassen wir uns vom Feind daran hindern, Gemeinde zu bauen?

Ekkehard Graf